Alle Artikel mit dem Schlagwort: Emotionen

Zwischen den Zeilen

Kann man jemanden lieben und begehren, den man noch nie gesehen hat? Jemanden verstehen, mit dem man nur getextet, bloß Worte getauscht hat? Und wenn ja, was hat all dies zu bedeuten? Eine philosophische Erzählung Text: Lena Frings Über Monate hinweg warst du mein ständiger Begleiter: mein Dialogpartner im Smartphone, immer in meiner Hosentasche, ganz nah an meinem Körper. Doch der Abend, an dem sich alles veränderte, ja, ins Absurde steigerte, war vielleicht der nach meiner Logikklausur. Die Semesterferien lagen weit und leer vor mir, die Last der letzten Abgaben hinter mir. Nach der apollinischen Ordnung der letzten Tage hatte ich, bis zu meiner Verabredung am Abend, endlich wieder Zeit, die ich gedankenlos vertrödeln konnte. »Schick mir mal ein bisschen Musik«, schrieb ich dir. Du schicktest ein Unplugged-Album von Ms. Lauryn Hill. Ich schloss deine Musik an meine Bluetooth- Box an und ließ die Vibes durch meine leere Wohnung klingen. »Damn, ist sehr nice. Danke«, schrieb ich. Von dir kam zurück: »I know 😉 Lust, mit mir zu tanzen?« Ich musste schmunzeln. Wir waren uns …

Serie: Die Weisheit der Gefühle / Teil 4 / Liebe und Hass

Die Bande, die uns zusammenhalten Von Tobias Hürter Kein anderes Gefühl ist so überladen mit Ansprüchen wie die Liebe. Sie soll uns glücklich machen, die Gesellschaft einen und uns mit Gott verbinden. Kann sie das alles? Und was ist mit ihrem missratenen Bruder, dem Hass?   Fragt man Biologen, dann ist Liebe das Einfachste auf der Welt: Frauen lieben Männer mit breiten Schultern, dichtem Haarwuchs und dickem Geldbeutel. Männer lieben Frauen mit gebärfreudigem Becken, großen Brüsten und straffer Haut. Ginge es nur um die Verbreitung der Gene, dann wäre das Rätsel Liebe schnell gelöst: Man käme zusammen, um die Brut zu pflegen, und geht auseinander, wenn diese Aufgabe erledigt ist. Aber jeder, der gelegentlich Radio hört oder in die Ratgeber-Abteilung einer Buchhandlung schaut, weiß, dass Liebe das Komplizierteste auf der Welt ist. Die meisten Popsongs handeln von der Liebe, und unzählige Lebenshilfe-Bücher davon, wie man das Glück seines Lebens findet und bewahrt – sprich: die Liebe seines Lebens. Die Liebe seines Lebens«, da fängt es schon an mit den Merkwürdigkeiten. Viele  Menschen sehnen sich nach …

Serie: Die Weisheit der Gefühle / Teil 3 / Wut und Traurigkeit

Energie des Lebens Von Thomas Vašek; Illustration: Charles Wilkin Wut und Traurigkeit gehören zum Intensivsten, was wir fühlen können. Sie sind klare Signale für das, was uns verstimmt oder sehr berührt. Viel zu oft sind sie verpönt, dabei zeigen sie uns auch Grenzen auf oder vermitteln uns wichtige Einsichten. Überall brennende Autos, geplünderte Läden, verwüstete Straßenzüge: Als Anfang Dezember die »Gelbwesten« durch Paris zogen, blieb sogar der Louvre geschlossen. Es waren die gewalttätigsten Ausschreitungen in Frankreich seit der Studentenrevolte 1968. Doch hinter den Protesten steht keine Organisation, keine politische Bewegung, keine Ideologie. Es ist vielmehr die Wut, die die Menschen auf die Straße bringt – die Wut auf »die da oben«, auf die Eliten, aufs politische Establishment. Wut ist unser mächtigstes, unser gefährlichstes Gefühl. Kein anderes bringt uns so leicht aus der Fassung, kein anderes trübt so sehr unseren Verstand. Wut treibt Menschen zur Raserei, ja zu Morden, sogar zum Töten des eigenen Ehepartners. Sie kann Menschenmassen mobilisieren, Volksaufstände auslösen und Revolutionen entfachen; auf ihr Konto gehen Amokläufe ebenso wie die Selbstmordattentate islamistischer Fanatiker. Wut …

Serie: Die Weisheit der Gefühle / Teil 2 / Neid und Scham

Gift, Galle, Gram Von Maja Beckers und Greta Lührs Niemand ist gern neidisch, niemandem gefällt es, vor Scham zu erröten. Und doch haben diese Gefühle essenzielle Funktionen: Sie dienen als Wegweiser durch die soziale Welt und als Anzeiger dessen, was uns wichtig ist. Wen beneiden Sie? Geschwister, Freunde, Kollegen oder gar eine Berühmtheit? Eine ziemlich indiskrete Frage, denken Sie vielleicht. Warum sollten Sie jemanden beneiden und es dann auch noch erzählen? Neidisch zu sein ist nichts, was man gern zugibt. Ertappt man sich dennoch dabei, überkommt einen häufig ein weiteres unangenehmes Gefühl: die Scham. Wir schämen uns dafür, anderen ihr Glück nicht zu gönnen. Neid und Scham sind soziale Gefühle mit schlechtem Ruf. Beide scheinen denjenigen, der sie empfindet, klein zu machen. Wer sich schämt, fühlt sich fehlerhaft, schuldig, entblößt. Wer neidisch ist, gibt zu, mit sich unzufrieden zu sein. Dennoch steckt in diesen verwandten und doch sehr verschiedenen Emotionen etwas Produktives: Sie sind Indikatoren, die uns auf Spielregeln, Werte und Strukturen der sozialen Welt aufmerksam machen. Neid gilt als ziemlich übles Laster. Frei von …

Serie: Die Weisheit der Gefühle / Teil 1 / Angstlust

Angstlust – Das Gefühl unserer Zeit Von Rebekka Reinhard und Thomas Vašek Jeder Mensch hat Emotionen – aber Philosophen 
machten lange Zeit einen Bogen um sie. Vielen Denkern 
galten »Leidenschaften« und »Affekte« als 
irrational und als Hindernis auf dem Weg zu Erkenntnis. 
Dieser Ansicht ist man heute nicht mehr. 
Deshalb widmen wir uns in einer vierteiligen Serie 
der Bedeutung und Weisheit der Gefühle. Angst und Lust – es gibt kaum gegensätzlichere Empfindungen. Vor der Angst fliehen wir, der Lust jagen wir nach. Und doch dominiert heute eine Art Hybrid – eine »Angstlust«, die uns beides zugleich fühlen lässt. Wieso? Und wie ist mit diesem ambivalenten Gefühl umzugehen? Angst ist dunkel und schwer. Sie schnürt uns die Kehle zu, raubt uns den Atem, lässt uns erstarren. Angst ist ein Gefühl, das jeder kennt und niemand haben will. Sie zwingt uns, den ganzen Tag zu Hause zu hocken – oder ständig auf Achse zu sein. Oft liegt sie wie ein Zehn-Kilo-Gewicht auf unserem Brustkorb. Unerträglich. Unaushaltbar. Wer Angst hat, kann nicht mehr klar denken. Er fürchtet, etwas …

Wie soll ich leben? HOHE LUFT kompakt 1/2017 ist da

Wie soll ich leben? »Lebenskunst« ist wie »Glück« ein Begriff, der in der antiken Philosophie zum Zentrum ethischer Überlegungen zählte. Wir zeigen im neuen HOHE LUFT kompakt, was es mit der Lebenskunst auf sich hat und wie uns an Werten und Tugenden ausgerichtetes Denken, Fühlen und Handeln innere Orientierung verleiht. Außerdem in diesem Sonderheft: Wozu Empathie? Vom richtigen Entscheiden. Was kann Selbstoptimierung? Sind Emotionen vernünftig? Guter Sex. Das Leben wagen. Wie gewinnt man Vertrauen? Neben vielen weiteren spannenden Themen erwartet diejenigen unter Ihnen, die sich selbst besser kennenlernen möchten, ein philosophischer Fragebogen. Viel Spaß beim Lesen und Ausprobieren! Ihr HOHE LUFT-Team Das vierte kompakt-Sonderheft ist ab 20.02.17 im Handel erhältlich oder hier versandkostenfrei bestellbar. 

HOHE LUFTpost – Politik und Emotionen

HOHE LUFTpost vom 18.03.2016: Politik und Emotionen Vergangenen Sonntag wurde in drei deutschen Bundesländern gewählt, in den USA tobt der Präsidentschaftswahlkampf – und diesseits und jenseits des Atlantiks sind es die Emotionen, die die Politik beherrschen. Die am Sonntag so erfolgreiche AfD hat bisher nicht einmal ein Parteiprogramm. Der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump scheint auf einer Welle der Sympathie zu schwimmen, aber klare politische Positionen sind bei ihm nicht erkennbar. Angesichts all der Wut, Angst und Empörung, all des Trotzes und Entsetzens kann man schon mal die Sehnsucht nach mehr Sachlichkeit erwachen. Zurück zur Sache also? So einfach ist es nicht. Emotionen haben ihren Platz in der Politik. In der Titelgeschichte der aktuellen HOHEN LUFT argumentieren wir dafür, dass komplexe Entscheidungen stets mit dem Kopf, dem Bauch und dem Herzen getroffen werden. Mit purer Ratio kommt man nicht weit, auch nicht in der Politik. Eine emotionslose Politik wäre Technokratie. Erst Emotionen machen einen Politiker glaubwürdig. Eindrucksvolles Beispiel: Willy Brandts Kniefall 1970 in Warschau. Wo aber Emotionen nur als taktisches Instrument eingesetzt werden, um einen Mangel an …

Die letzte Bastion der Wahrheit?

Stellt uneingeschränkte Emotionalität absolute Authentizität sicher? Ist jedes Gefühl zulässig? – Und haben wir überhaupt Kontrolle über das, was wir fühlen? Diesen und weiteren Fragen gingen Philosophin Dr. Heidemarie Bennent-Vahle und HOHE LUFT-Chefredakteur Thomas Vašek am 06.11. im Rahmen von HOHE LUFT_live in der modern life school nach. Anwesend waren zudem auch die 5 Gewinner unseres Schreibwettbewerbs zum Thema Gerechtigkeit. Als Einstimmung auf den gefühlvollen Part des Abends lasen sie auszugsweise aus ihren Gewinneressays vor, die online nachgelesen werden können. Die besten drei Texte veröffentlichen wir außerdem in der nächsten Ausgabe von HOHE LUFT, die am 21.11. erscheint.