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Serie: Die Weisheit der Gefühle / Teil 3 / Wut und Traurigkeit

Energie des Lebens

Von Thomas Vašek; Illustration: Charles Wilkin

Wut und Traurigkeit gehören zum Intensivsten, was wir fühlen können. Sie sind klare Signale für das, was uns verstimmt oder sehr berührt. Viel zu oft sind sie verpönt, dabei zeigen sie uns auch Grenzen auf oder vermitteln uns wichtige Einsichten.

Überall brennende Autos, geplünderte Läden, verwüstete Straßenzüge: Als Anfang Dezember die »Gelbwesten« durch Paris zogen, blieb sogar der Louvre geschlossen. Es waren die gewalttätigsten Ausschreitungen in Frankreich seit der Studentenrevolte 1968. Doch hinter den Protesten steht keine Organisation, keine politische Bewegung, keine Ideologie. Es ist vielmehr die Wut, die die Menschen auf die Straße bringt – die Wut auf »die da oben«, auf die Eliten, aufs politische Establishment.

Wut ist unser mächtigstes, unser gefährlichstes Gefühl. Kein anderes bringt uns so leicht aus der Fassung, kein anderes trübt so sehr unseren Verstand. Wut treibt Menschen zur Raserei, ja zu Morden, sogar zum Töten des eigenen Ehepartners. Sie kann Menschenmassen mobilisieren, Volksaufstände auslösen und Revolutionen entfachen; auf ihr Konto gehen Amokläufe ebenso wie die Selbstmordattentate islamistischer Fanatiker. Wut ist meist männlich, testosterongeladen, laut und aggressiv. Nur wenige von uns werden zu Gewalttätern. Und doch kennt fast jeder die Wut und ihre unheimliche Dynamik. Wie sie langsam und doch übermächtig in einem hochkocht, wie sie manchmal ausbricht wie ein Vulkan. Wie sie sich lange Zeit aufstauen kann, bis sie sich plötzlich entlädt. Wie oft ein scheinbar nichtiger Anlass genügt, um uns beleidigt, verletzt oder gekränkt zu fühlen. Wütend können wir auf alles Mögliche sein, auf un­zuverlässige Freunde und schlampige Kollegen, auf die unpünktliche Bahn, auf Angela Merkel und die Flüchtlinge – und natürlich nicht zuletzt auch auf uns selbst.

Wütend reagieren wir dann, wenn Menschen oder Dinge sich nicht so verhalten, wie wir uns das erhofft oder erwartet haben. Darin ähnelt die Wut einem anderen starken Gefühl, das ganz von uns Besitz ergreifen kann – der Traurig­keit. Wie wir wissen, kann Wut in Traurigkeit übergehen, die Traurigkeit plötzlich in Wut umschlagen. Die beiden Emotionen scheinen sich nahe zu sein. Aber was verbindet sie mit­einander? Wozu brauchen wir sie? Und was sagen sie uns über unser Verhältnis zur Welt?

Für die Stoiker war die Wut nur ein zerstörerischer Trieb

Die Wut steht schon am Anfang unserer abendländischen Kultur. In Homers »Ilias« ist der Zorn des Achill das ­Leitmotiv. Aus Gekränktheit bleibt er den Kämpfen fern, weil er sich um seinen Anteil an der Kriegsbeute – die Priesterin Briseis – betrogen fühlt. Erst nach dem Tod seines Freundes Patroklos wandelt sich sein Groll in mörderische Energie. Rasend vor Wut tötet Achill den trojanischen Helden Hektor und schleift ihn in einem sinnlosen Blutrausch um die belagerte Stadt. Für die Griechen Homers bedeutet thymos Zorn oder Mut, ebenso wie Eifer. Der thymos ist eine unheilbringende Kraft, aber auch eine Lebensenergie, die den ­Tatendrang des Helden befeuert. Er ist das »Organ der ­Regungen«, wie es der Altertumswissenschaftler Bruno Snell (1896–1986) einmal nannte; ohne thymos sind wir tot.

Bei Platon (ca. 428–348 v. Chr.) ist der thymos der dritte Teil der Seele, neben der Vernunft und den irrationalen Begierden. Sein Seelenmodell kleidete er einmal in die Metapher eines gefiederten Wagengespanns mit zwei Pferden, von denen das eine gut und edel ist, eben der thymos, das andere hingegen, die Begierde (epityhmia), wild und unbeherrscht. Der Vernunft als Wagenlenkerin kommt die Aufgabe zu, das ungleiche Gespann zu bändigen.

Auch Aristoteles (384–322 v. Chr.) konnte dem Zorn einige positive Züge abgewinnen; er definierte ihn als ein »von Schmerz begleitetes Trachten nach Rache wegen einer erlittenen Geringschätzung«. Zornig reagieren wir also, wenn wir uns missachtet oder gekränkt fühlen. Insofern sei der Zorn keineswegs ganz unvernünftig, meinte Aristo­teles, allerdings könne er leicht sein Ziel verfehlen, wie das Bellen des Hundes, das nicht zwischen Freund und Feind unterscheiden kann. Insofern darf der unzuverlässige Zorn allein nicht unser Handeln lenken, sondern braucht die Führung durch den Verstand.

Wut kann in Traurigkeit umschlagen – und umgekehrt.

Der stoische Philosoph Seneca (1–65 n. Chr.) ­hingegen lehnte den Zorn in jeder Hinsicht ab. »Der Mensch ist zu ­gegenseitiger Hilfe geschaffen, der Zorn zur Vernichtung«, heißt es in seiner Schrift »De Ira« (»Über den Zorn«). Für Seneca hat die Wut nichts Nützliches; sie ist nur ein blinder, unbeherrschbarer und letztlich zerstörerischer Trieb, den man am besten gar nicht erst hochkommen lässt. Senecas Schrift liest sich heute wie ein moderner Ratgeber zum Thema emotionale Intelligenz und Impulskontrolle. Kein anderes Gefühl ist mittlerweile so verpönt wie die Wut. Wer leicht in Rage gerät, der scheint uns unbeherrscht und aggressiv. Während Chefs früher gern mal auf den Tisch hauten, um sich Respekt zu verschaffen, gilt Wut am Arbeitsplatz inzwischen als unsouverän, der schreiende Boss als führungsschwach. Doch das Bild der Wut beginnt sich zu verändern. Viele Philosophen sehen die Wut, wie auch ­andere Emotionen, nicht mehr als sinnlose Aufwallung wie die Stoiker, sondern als intentionalen Zustand, der auf etwas in der Welt gerichtet ist.

Wenn wir wütend sind, bewerten wir in gewisser Weise einen Menschen oder eine Situation. Mit der Traurigkeit ist es ganz ähnlich. Meist reagieren wir damit auf ein negatives Ereignis, das schon stattgefunden hat, oder auf ein Ereignis in der Zukunft, das wir nicht abwenden können. Die Trauer ist wohl die intensivste, tiefste Form der Traurigkeit. Nichts trifft uns härter als der Tod eines geliebten Menschen. »Es war, als hätte ein Nagel mein Innerstes durchbohrt«, schrieb die amerikanische Philosophin Martha Nussbaum in ihrem Buch »Upheavals of Thought« über den Tod ihrer Mutter. In dem Buch entwickelt sie auch ihre »neostoische« Theorie der Emotionen. Für Nussbaum ist Trauer ein Werturteil, mit dem wir einer Person eine besondere Bedeutung für uns zusprechen. Auf den Tod eines nahestehenden Menschen können wir nicht gleichmütig reagieren, also einfach nur den Gedanken haben, dass der Mensch nun tot ist. Erst durch unsere Trauer nehmen wir seinen Tod wirklich an.

In Traurigkeit und Wut lehnen wir die Welt ab

Wie die Traurigkeit, so kann auch die Wut zum Ausdruck bringen, was uns wirklich wichtig ist. Sie kann ein Signal sein, das anderen Menschen zeigt, was wir von ihnen erwarten, was uns stört oder womöglich sogar kränkt. Wenn wir auf einen Freund wütend sind, weil er schon wieder ein Versprechen gebrochen hat, zeigen wir damit, wie wichtig uns die Zuverlässigkeit in unserer Freundschaft ist. Wut kann allerdings auch unangemessen oder maßlos überzogen sein. Vielleicht hat der Kollege gar keinen Fehler gemacht, oder der Fehler war nicht seine Schuld.

Insofern lassen sich Bedingungen für die Angemessenheit von Wut formulieren. Wenn wir wütend wegen etwas sind, das gar nicht der Fall ist, dann haben wir uns offenbar umsonst aufgeregt. So könnten wir uns in der Intention einer Person täuschen, etwa wenn wir denken, dass sie absichtlich zu spät gekommen ist, obwohl eine U-Bahn-Störung vorlag. Gerechtfertigte Wut erfordert eine Prüfung der Sachlage. Wer wütend auf etwas reagiert, muss sich immer fragen, ob er hinreichend informiert war und die Situation angemessen beurteilt – oder ob er aus der berühmten Mücke einen ­Elefanten gemacht hat. So betrachtet wäre es ratsam, stets sorgfältig die Argumente zu abzuwägen, bevor wir uns grundlos aufregen. Aber das ist nicht nur psychologisch unrealistisch. Wenn wir unsere Wut ständig unterdrücken, geht uns eine wichtige Kommunikations- und Ausdrucksform verloren, mit der Traurigkeit ist es nicht anders.

Ein Wutanfall ist noch kein Argument. Aber er kann einen Impuls geben, indem er ausdrückt, was uns stört, das Gleiche gilt auch für die Politik. Die Wut derjenigen, die sich ungerecht behandelt fühlen, beweist noch nicht, dass es tatsächlich ungerecht zugeht. Aber sie zeigt zumindest, worum es ihnen geht, und vor allem: dass es ihnen überhaupt um etwas geht. Auch deshalb sollte man die Wut nicht als bloßes Ressentiment oder Neid abtun.

Meinungsfreiheit impliziert auch, dass Menschen ihre Wut zum Ausdruck bringen können, ob sie nun gerecht­fertigt ist oder nicht. Die Demokratie braucht nicht nur den sachlichen Austausch von Argumenten. Sie braucht auch die Wut, damit sich etwas bewegt. Der tiefere Grund könnte darin liegen, dass die Wut so lebendig ist. Wütende Menschen können uns zwar zutiefst erschrecken. Aber sie zeigen uns auch an, dass sie der Welt – und uns selbst – nicht einfach gleichgültig gegenüberstehen.

»Die Wut hat viele Funktionen«, schreibt die öster­reichische Psychiaterin Heidi Kastner: »Sie vermittelt klare Grenzen, setzt Warnsignale, befreit von der Spannung, die aus Kränkung entsteht, vermittelt uns selbst präzise Einsichten in unsere Schwachstellen und fordert uns auf zu Veränderung, entweder an uns selbst oder unseren Lebens­umständen, sie fordert und fördert Lebendigkeit.« In der Traurigkeit wie in der Wut stehen wir im Missklang mit unserer sozialen Welt. Wenn wir traurig sind, dann hat uns unsere Umgebung nichts zu bieten, inklusive der Menschen um uns; wir hängen nur antriebslos herum, während sich ­unsere Gedanken im Kreis bewegen. Auch der Wütende hadert mit den Menschen und Dingen, die ihm unzulänglich scheinen. Wie der Melancholiker alles nur in düsteren ­Farben wahrnimmt, so übersieht auch der Wütende die positiven Aspekte der Situation. Beide Emotionen lehnen gleichsam die Welt ab, so wie sie ist. Den Wütenden scheint die Welt die Achtung zu versagen, den Traurigen das Glück. So gesehen ist auch die Traurigkeit eine Art von Protest gegen eine Welt, die eben nicht so ist, wie wir sie gerne hätten.

Der französische Soziologe Alain Ehrenberg deutete die Ausbreitung depressiver Krankheitsbilder einmal als »Erschöpfung des Selbst«, die mit der zunehmenden Überforderung des spätmodernen Menschen einhergehe. Nach Ehrenberg ist es die »Kultur der Autonomie«, verbunden mit wachsender Handlungsunsicherheit, die uns tendenziell depressiv macht. Wenn Ehrenbergs These stimmt, dann ist es die depressive Erschöpfung, in der die Entfremdung vieler ­Menschen von unserer Gesellschaft zum Ausdruck kommt. Auch die politische Wut ist womöglich eine besondere Art von Werturteil. Man kann sich fragen, woher sie in unseren relativ wohlhabenden Gesellschaften überhaupt kommt.

Der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama, berühmt geworden durch sein Buch »Das Ende der Geschichte«, hat dafür eine ebenso einfache wie einleuchtende Erklärung. Wir streben eben nicht nur nach materiellen Gütern, sondern nach Selbstachtung, die wir nur durch die Achtung anderer erlangen.

Traurigkeit bringt uns zum Nachdenken, Wut zum Handeln

Schon Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) beschrieb die Geschichte als Kampf um Anerkennung. Für Fukuyama ist das auch ein emotionaler Kampf. Der thymos ist für ihn der Sitz von Zorn, Scham und Stolz, der Sitz unserer Selbstachtung und Würde, gleichsam unser angeborener Gerechtigkeitssinn. Wenn wir uns von anderen nicht geachtet ­fühlen, dann werden wir wütend; wenn wir uns selbst nicht achten, dann befällt uns die Scham. Stolz sind wir erst dann, wenn wir die Anerkennung bekommen, die uns aus unserer Sicht zusteht. Fukuyamas Modell wirkt zwar etwas grobschlächtig, aber es könnte erklären, warum die Wut ein ­derart mächtiger Antreiber aller populistischen Bewegungen ist. Sie ist es schlicht deshalb, weil so viele Menschen das Gefühl haben, dass ihre Stimme ungehört bleibt – dass ihre Würde verletzt wird, dass ihr Selbst nicht zählt.

In der Politik manifestiert sich der thymos nach Fukuyama in zwei Gestalten. Die megalothymia ist das Bedürfnis, von anderen als überlegen anerkannt zu werden; darauf ­beruhten vordemokratische, hierarchische Gesellschaften, die von der Überlegenheit einer bestimmten Schicht ausgingen. Der Aufstieg der modernen Gesellschaft geht nach Fukuyama einher mit der Verdrängung der megalothymia durch die isothymia, das Verlangen nach Gleichwertigkeit. In der modernen liberalen Demokratie blieb die Anerkennung jedoch auf die rechtliche Gleichstellung beschränkt, während die ökonomische und gesellschaftliche Ungleichheit blieb – und damit das unerfüllte Bedürfnis nach Anerkennung.

Aus Fukuyamas Sicht können Populisten daher ihre Anhänger mit der Idee mobilisieren, dass sie in ihrer Würde verletzt seien. Die Folge ist Wut. Eben deshalb hält Fuku­ya­ma auch die linke »Identitätspolitik« für falsch, die sich auf die Anerkennung der speziellen Identitäten von immer mehr ausgegrenzten Zielgruppen konzentriert habe, statt die  krasse Ungleichheit in unserer Gesellschaft zu beseitigen und damit auf ­universelle Anerkennung hinzuarbeiten. Nimmt man Ehrenbergs und Fukuyamas Diagnosen zusammen, ergibt sich das Bild einer Art »bipolaren« Störung des spätmodernen Selbst: Während die Überforderten in die Depression abrutschen, steigern sich die Missachteten ­immer weiter in die Wut ­hinein. Beide Emotionen, die Traurigkeit wie die anhaltende Wut, verneinen in gewisser Weise unsere Welt. Eine »Politik der Emotionen« (Martha Nussbaum) könnte heute darauf abzielen, diese Negativität produktiv zu machen, statt sie zu verdrängen oder auszugrenzen.

Wut kann ein Zeichen von Vitalität sein. Sie reißt uns heraus aus der Apathie.

Die Wut kann man vielleicht als eine Ressource der ­Vitalität begreifen, also eine Art Unterbrechung des ­Gewohnten in einer durchgetakteten Welt algorithmischer Rationa­lität. Die Traurigkeit wiederum kann uns, in ihren besten Momenten, zur Besinnung bringen, in der wir uns mit den Sinndefiziten unseres Lebens konfrontieren, bis wir zum Schluss kommen: So kann es nicht weitergehen, es muss sich etwas ändern, ich lebe nicht das Leben, das ich ­leben will. Auch in dieser Hinsicht sind sich die Wut und die Traurigkeit näher, als es zunächst scheint.

Die Traurigkeit kann uns zum Nachdenken bringen, die Wut treibt uns zum Handeln. Doch in unserer modernen Gesellschaft können wir nicht mehr einfach Vergeltung üben, wie in der heroischen Welt des Mythos. Das Wüten eines
Michael Kohlhaas erscheint uns archaisch, für die Rache gibt es heute das Gesetz. Wütende Volksmassen erschrecken uns vielleicht auch deshalb, weil fehlende Anerkennung so leicht in den Wunsch nach Rache umschlagen kann.

Peter Sloterdijk beschrieb in seinem Buch »Zorn und Zeit« schon vor mehr als zehn Jahren die Verdrängung des thymos in der modernen Welt, um den Preis eines ­Verlusts an Vitalität – und mit dem Effekt, dass der ­verdrängte Zorn nun fatalerweise von außen wiederkehrt, in Gestalt des islamistischen Terrors. Von ­Pegida und AfD war damals noch keine Rede. Fehlende Wut ist in unserer Erregungs­gesellschaft jedoch nicht das Pro­blem. Der männliche Heroismus ist längst nicht ausgerottet, der Wutbürger vielleicht nur seine ins Lächerliche geschrumpfte Gestalt. Es geht vielmehr darum, »richtig wütend zu werden«, also eine an­gemessene Wut zu entwickeln. Die »richtige«, angemessene Wut kann uns vielleicht herausholen aus dem täg­lichen Immer-so-weiter, aus dem Gefühl ständiger Überforderung, das uns auf die Dauer so depressiv macht. Richtig wütend sein, das kann auch heißen, die Ärmel aufzukrempeln, ins Handeln zu kommen. Die Wut kann uns aus der Gleichgültigkeit herausreißen, sie ist auch ein Zeichen von Energie, von Lebendigkeit. Vielleicht müssen also auch all die Traurigen und ­Erschöpften ­einmal wütend werden, statt bloß wieder nur zum nächsten Therapeuten zu laufen.

Ein lebendiger Diskurs braucht auch die Stimme der Wütenden

Die Frage ist nur, was dann kommt, wenn die Wut einmal entfesselt ist. Der Zorn des Achill führte geradewegs ins Gemetzel. Es ist kein Wunder, dass heute Neurechte, wie der Sloterdijk-Schüler und AfD-Vordenker Marc Jongen, von der Kraft des thymos schwärmen. Es geht ihnen um Kampf, um Spannung und Intensität. Es ist die Wut, so denken sie, die den Starken und Mächtigen hervorbringt. Wir können nicht zurück zum Heroismus der homerischen Zeit, das weiß natürlich auch Sloterdijk. Wer mit dem thymos spielt, der spielt mit dem Feuer. Politik geschehe eben im »Modus von Balanceübungen«, schreibt er in »Zorn und Zeit«: »Balance üben heißt, keinem notwendigen Kampf ausweichen, keinen überflüssigen provozieren.« Eine solche Balance aber kann nur darin bestehen, die Wut in einen lebendigen Diskurs zu transformieren, in dem auch die Wütenden eine Stimme haben, aber eben nicht nur sie. Mit anderen Worten, eine solche Balance kann nur heißen: Demokratie.


Der Artikel stammt aus der Ausgabe 2/2019:

 

 

 

 

 

 

 


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