Die Getriebene
KAUM JEMAND SCHRIEB SO LEIDENSCHAFTLICH UND KRITISCH ÜBER DIE WIRKMACHT VON BILDERN UND METAPHERN WIE DIE ESSAYISTIN UND SCHRIFTSTELLERIN SUSAN SONTAG, KAUM EINE INTELLEKTUELLE MUTIERTE SCHNELLER ZUR IKONE. WER WAR DER MENSCH HINTER DEM MYTHOS? Text: Rebekka Reinhard Die Fotografie eines Menschen ist nicht identisch mit ihm. Sie zeigt einen Moment im Leben dieser Person, einen Ausschnitt aus dem Raum, in dem sie sich gerade befindet. Wie sehr greifen Reales und Imaginiertes ineinander? Welche Wirklichkeit liegt jenseits des Abbilds? Solche Fragen faszinierten die Frau mit der legendären weißen Haarsträhne – Susan Sontag (1933–2004), Essayistin, Schriftstellerin, Dramatikerin und Aktivistin. Für die Spannung zwischen Realität, Ästhetik und Ethik fand sie eine einzigartige Sprache. Deutlicher als viele ihrer Zeitgenossen erkannte sie die oft brutale Wirkmacht von Bildern und Metaphern; eine Macht, deren Nähe sie suchte und die sie zugleich abstieß. Kaum wurde sie mit ihren kulturkritischen Texten Mitte der 1960er berühmt, galt »Sontag« schon als Mythos. Alle kannten Sontag – auch jene, die keine Ahnung hatten von Intellektuellen – und Sontag kannte alle. In den 60er- und 70er-Jahren …