Alle Artikel in: Geschichte

Spirituelle Apokalypse

Der russische Nationalist Alexander Dugin erklärt dem Westen den Krieg. Er beruft sich auf Martin Heidegger und den italienischen Esoteriker Julius Evola. Dahinter steckt das gefährliche Projekt einer geistig-politischen Totalumwälzung – ein ontologischer Faschismus. Text: Thomas Vašek Alexander Geljewitsch Dugin hasst Amerika, den Westen, die moderne Welt, die für ihn immer mehr in Nihilismus und Dekadenz versinkt. Der 60-jährige Philosoph und Politologe träumt von einem wiedererstarkten Russland, das dem Siegeszug westlicher Werte Einhalt gebieten soll. Er beruft sich gern auf Martin Heidegger. Den Menschen im verkommenen Westen sage Heidegger nichts mehr, schreibt Dugin: Daher kann er zu uns sprechen. Dugins zweite Leitfigur ist in Deutschland bislang weniger bekannt. Es ist der italienische Kulturphilosoph und Esoteriker Julius Evola – ein protofaschistischer Rassentheoretiker und Antisemit, der die SS als heldenhaften Eliteorden verehrte, eine faschistische Rassenlehre entwickelte und ein Vorwort zu den »Protokollen der Weisen von Zion« schrieb. Der Philosoph Alexander Geljewitsch träumt von einem wieder erstarkten Russland, das dem Siegeszug westlicher Werte Einhalt gebieten soll. Dugin, Heidegger, Evola – ein auf den ersten Blick seltsames Gespann. Da ist …

Wohin bewegen wir uns?

Fortschritt – für die einen klingt das nach einem Versprechen. Nach Entwicklung, höher, schneller, weiter, moderner. Andere wittern in ihm Gefahr. Abwege, Überforderung. Früher war ja schon alles besser. Vielleicht ist es Zeit, Fortschritt neu zu denken. Text: Thomas Vašek Unter »Fortschritt« verstehen wir zumeist eine durch menschliches Handeln herbeigeführte Veränderung zum Besseren. Der Begriff hat also eine positive Konnotation; meist meinen wir damit eine erstrebenswerte Entwicklung. Doch der Fortschrittsbegriff hat seine Tücken. Einerseits bezeichnen wir damit eine reale Veränderung. Wir behaupten also, dass es Fortschritt wirklich gibt oder gegeben hat. Zugleich drückt der Glaube an den Fortschritt aber auch die Zuversicht aus, dass sich die Dinge in Zukunft zum Besseren verändern werden oder wenigstens verändern können. Aber woher wissen wir, was »das Bessere« ist? Im Alltag reden wir von Fortschritt vor allem im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel. Zum Beispiel sagen wir, dass ein Heilungsprozess »Fortschritte« macht, wenn man dem Ziel der Gesundung näherkommt. Ähnlich sprechen wir von Fortschritten beim Erlernen einer Sprache oder beim Lösen eines Problems. Unter Fortschritt im historischen Sinne verstehen …

Na logisch! Die Ad-nauseam-Argumentation

Kolumne über Logik, Rhetorik und Argumentationstheorie von Daniel-Pascal Zorn. Heute: Reden, bis der Arzt kommt – Die Ad-nauseam-Argumentation Jeder, der schon einmal als Kind eine Abkürzung genommen hat, weiß: Es macht so viel mehr Spaß, mitten durch eine Wiese zu laufen, statt um sie herum. Je mehr Leute der Spur folgen, desto deutlicher wird sie und desto mehr eine Einladung für alle anderen, es ihnen gleichzutun. Manchmal, wenn ein schmaler zu einem breiten Trampelpfad geworden ist, bleibt dem Besitzer nichts anderes übrig, als ihn mit Kies aufzuschütten und damit ‚offiziell‘ zu machen. Das wiederholte Ablaufen immer derselben Strecke etabliert irgendwann eine Spur, die zum Weg wird.

Na logisch! Der Ad-ignorantiam-Fehlschluss

Daniel-Pascal Zorn schreibt in seiner Kolumne Na logisch! über Logik, Rhetorik und Argumentationstheorie. Heute: Der Ad-ignorantiam-Fehlschluss  Es klingt vielleicht auf den ersten Blick unglaubwürdig: Aber manche der hier verhandelten Fehlschlüsse waren verantwortlich für die Entscheidung über die gesellschaftliche Ächtung oder sogar über Leben und Tod vieler Menschen. Zwei Beispiele können das illustrieren:

HOHE LUFTpost – Der Dichterphilosoph

HOHE LUFTpost vom 29.04.2016: Der Dichterphilosoph Es ist Shakespeare-Woche. Am 23. April vor 400 Jahren ist der große Dichter gestorben, am 26. April vor 452 Jahren wurde er getauft – sein Geburtsdatum ist unbekannt. Es war keine Glanzzeit der Philosophie, in der er lebte. Die Systeme der Scholastiker waren längst verblasst, die Ära von Descartes, Hobbes, Locke & Co. hatte noch nicht begonnen. Dennoch dachte Shakespeare zutiefst philosophisch.

Neues Sonderheft: Große Momente der Philosophiegeschichte

HOHE LUFT kompakt #2 Am 07. November erscheint unser zweites Sonderheft über »Die großen Momente der Philosophiegeschichte«. Wer waren die Personen hinter den weltbekannten Theorien? Wie kamen die großen Philosophen auf ihre Ideen? Wer oder was beeinflusste ihr Denken? In 11 Portraits von Platon und Aristoteles über Augustinus bis hin zu Wittgenstein und Popper präsentieren wir Ihnen Abenteuer des Denkens. Der Philosoph und Autor Richard David Precht berichtet im Interview von seinem neuen philosophiegeschichtlichen Buchprojekt und hat dazu die Einleitung des Heftes verfasst. Außerdem spricht der US-Philosophiehistoriker Peter Adamson über die Lücken der Philosophiegeschichte und die Frage nach dem Fortschritt in der Philosophie. Hier können Sie das Heft versandkostenfrei bestellen. Wir wünschen viel Freude beim Lesen!

J’accuse – Eine Antwort auf Vittorio Klostermann

Der US-Ideenhistoriker Richard Wolin zählt zu den weltweit führenden Heidegger-Forschern. Nachdem er sich im März in einem Interview mit HOHE LUFT kritisch über die Heidegger-Gesamtausgabe äußerte, nahm der Verleger Vittorio Klostermann dazu Stellung und verteidigte die Ausgabe als »verlässlich«. Hier antwortet nun Wolin abermals auf Klostermann und nennt die Heidegger-Gesamtausgabe einen »Wissenschaftsskandal«. 

HOHE LUFTPOST – Ein neuer Einstein?

HOHELUFTpost vom 11.09.2015: Vor hundert Jahren geschah eine der größten wissenschaftlichen Revolutionen der Geschichte: Albert Einstein veröffentlichte seine allgemeine Relativitätstheorie und eröffnete uns damit die Erkenntnis, dass die allgegenwärtige Schwerkraft gar keine Kraft im üblichen Sinn ist, sondern ein Nebenprodukt des gekrümmten Raums. Einstein war der letzte Wissenschaftler, der solch einen gewaltigen Erkenntnisschritt im Alleingang vollbrachte. Wann kommt endlich ein neuer Einstein? Ich vermute: wohl gar nicht mehr. Solche wissenschaftlichen Einzelleistungen sind nicht mehr möglich. An Talenten würde es nicht Mangeln. Der amerikanische Theoretiker Edward Witten beispielsweise hat wohl nicht weniger mathematische Begabung als Albert Einstein – und er tüftelt seit Jahrzehnten an einer noch allgemeingültigeren Theorie. Aber nicht allein, sondern in Zusammenarbeit mit vielen anderen Forschern. Diese Unternehmung ist zu komplex für ein einzelnes Gehirn. Es gibt aber noch einen anderen Grund. In unserer Gesellschaft haben Wissenschaftler nicht mehr den Status, den sie zu Einsteins Zeiten hatten. Einstein war nicht nur ein grandioser Physiker, sondern auch ein eine gewichtige politische Stimme, eine moralische Autorität – und ein Popstar. Ob zu Recht oder nicht, so …

HOHE LUFTPOST – Wir Engel und Teufel

HOHELUFTpost vom 28.08.2015: Der Fund ist gruselig, und er gibt zu denken: Archäologen haben in der Nähe von Frankfurt am Main ein Massengrab freigelegt, in das unsere Ahnen vor 7000 Jahren ziemlich achtlos 26 Leichname geworfen hatten, darunter viele Kinder. Das ist auffällig, weil die Menschen damals ihre Toten meist mit Respekt und Sorgfalt bestatteten. Noch auffälliger ist der Zustand der Leichname. Sie zeigen deutliche Spuren brutaler Gewalt. Manchen wurde offenbar mit stumpfen Waffen der Schädel eingeschlagen. In manchen Knochen stecken noch Pfeilspitzen. Der Fund befeuert eine ohnehin schon hitzige Debatte: Ist der Mensch von Natur aus friedlich – oder gewaltsam? Der amerikanische Psychologe Stephen Pinker behauptet in seinem Buch »Gewalt« von 2011, dass die Menschheit im Lauf der Zivilisationsgeschichte immer friedlicher wurde und heute weniger gewaltsam denn je ist. Andere Gelehrte widersprachen Pinker heftig. Flüchtlinge aus dem syrischen Bürgerkrieg werden über seine These allenfalls bitter lachen können. Doch der Frankfurter Fund scheint sie zu stützen. Was stimmt denn nun: Ist der Mensch wirklich ein geborener Brutalo, besänftigt durch die Zivilisation? Oder ein von Natur …