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Was es heißt, etwas zu »müssen«

Es liegt etwas in der Luft…

… Es ist der Rauch über den Häusern von Kiew, Charkiw und Mariupol. Es ist das Entsetzen über diesen grauenhaften Krieg. Es ist die bange Frage, was den Mann im Kreml noch stoppen kann. Es ist die blanke Angst vor allem, was womöglich noch kommt.
Es ist aber auch die Bewunderung für all jene, die sich dem brutalen Angriff auf die Ukraine todesmutig entgegenstellen. „Jeder von uns stirbt irgendwann,” sagte der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko im Interview mit »Bild«-Reporter Paul Ronzheimer: »Als ehemaliger Soldat habe ich gespürt: Wenn mein Land mein Leben braucht, dann muss ich mein Land verteidigen. Und wenn es nötig wird: Mit meinem Leben zahlen.« Klitschko verteidigt sein Land, wie sein Bruder Wladimir und viele andere, weil er es »muss«, wie er selbst sagt – weil er nicht anders kann. Er tut es nicht einfach nur aus Pflicht. Er tut es aus innerer Überzeugung, aus einer »willentlichen Notwendigkeit«, wie es der Philosoph Harry Frankfurt nennt. Das ist kein törichter männlicher Heroismus. Es geht viel mehr darum, für etwas zu kämpfen und einzustehen, was größer ist als man selbst. Die Menschlichkeit. Die Freiheit. Die Demokratie. Wer einen zwingenden Grund hat, auf bestimmte Weise zu handeln, für den gibt es keine Alternative – selbst wenn das bedeutet, das eigene Leben zu verlieren. Zum Schluss zu kommen, dass man etwas tun »muss«, das heißt »eine Entdeckung über sich selbst zu machen«, schrieb der Philosoph Bernard Williams einmal. Das bedeutet, die eigenen Möglichkeiten zu erkennen, aber auch die eigenen Einschränkungen und Zwänge. Das hat etwa mit Wahrhaftigkeit zu tun – und mit authentischem Leben.
Die russischen Soldaten müssen kämpfen, weil ein rücksichtsloser Despot es so will. Die Klitschkos und viele tausend andere Ukrainer:innen hingegen müssen kämpfen, weil sie SELBST es wirklich wollen – und eben deswegen nicht anders können. Darin zeigt sich vielleicht auch, was ein autokratisches Regime von einer Demokratie unterscheidet.

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