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HOHE LUFTpost – Bedrohung, die Zweite

HOHE LUFTpost vom 01.04.2016: Bedrohung, die Zweite Auf die letzte HOHE LUFTpost, die von Terrorismus, abstrakter und konkreter Bedrohung handelte, schrieb mir eine Leserin aus Frankreich. Dort sei von Bedrohung nichts zu spüren: »Alltag, Gewöhnung, Feiern«. Wenig überraschend kam die Rede auf die »German Angst«, die in Deutschland verbreitete Neigung, die eigene Angst zu kultivieren: nicht nur vor Terrorismus, sondern auch vor Infektionskrankheiten, saurem Regen, Radioaktivität, Zuwanderung und vielem anderen. So etwas endet leicht in Vorurteilen und Allgemeinplätzen.

HOHE LUFTpost – Abstrakte Bedrohung

HOHE LUFTpost vom 25.03.2016: Abstrakte Bedrohung Nach den Anschlägen von Brüssel greift in Europa wieder die Terrorangst um sich. In den nächsten Wochen und Monaten wird in Verlautbarungen von Ministerien wieder viel von “Gefährdern” und “Bedrohungslagen” die Rede sein. Selten erfährt man Einzelheiten. Meist nur vage von “abstrakter Gefährung”, “konkreter Bedrohung” oder ähnlichem. Nun möchte man vielleicht meinen, dass eine Bedrohung umso beängstigender wird, je konkreter sie ist. Aber gerade die Dynamik der Terrorangst zeigt, dass es komplizierter ist. Eine konkrete Bedrohung sieht man vor sich. Man kann sich auf sie einstellen. Eine abstrakte Bedrohung lauert im Dunkeln, konturlos, ungreifbar. Die Fantasie befeuert die Angst. Die perfide Wirkung des Terrorismus entsteht durch den Wechsel zwischen konkreten Szenarien – zuletzt den Bildern aus Paris, Ankara, Istanbul und Brüssel – und abstrakter Bedrohung: “So etwas kann passieren, aber kann es auch mir passieren?” Die extremen Formen dieser wabernden Angst sind psychische Angststörungen. Bei ihnen gibt es gar keine konkrete Bedrohung. Nicht zuletzt wegen dieser Ungreifbarkeit sind sie so schwer zu behandeln. Vor diesem unseligen Mechanismus der ungerichteten …

»Die größte Gefahr des Internets ist, dass es sich selbst abschafft.«

Gilbert Dietrich ist Philosoph, Personalmanager bei der Musik-Streaming-Seite SoundCloud in Berlin und hat den Blog geistundgegenwart gegründet. Im aktuellen Heft spricht HOHE LUFT-Autorin Rebekka Reinhard mit ihm über das Fokusthema »Globale Vernetzung«. Die Langfassung des Interviews lesen Sie hier.

HOHE LUFTpost – Bund hört mit

HOHE LUFTpost vom 26.02.2016: Bund hört mit Stellen wir uns vor, es wäre der Kriminalpolizei erlaubt, verdächtigen Personen heimlich kleine Sonden ins Gehirn zu schleusen, die ihre Gedanken lesen. Wer eine Straftat plant, könnte gleich erkannt und daran gehindert werden, sie auszuführen. Dennoch ist es aus gutem Grund nicht erlaubt. Seine Gedanken gehören jedem Menschen allein. Niemand hat das Recht, dort hineinzuschauen, schon gar nicht die Staatsbehörden. Aber etwas Vergleichbares ist der Kriminalpolizei jetzt tatsächlich erlaubt. Der Bundestrojaner ist fertig, und die Regierung hat dem Bundeskriminalamt grünes Licht gegeben, ihn auf unsere Computer und Smartphones loszulassen. Diese Geräte sind längst mehr als Kommunikationsmittel. Sie sind Teil von uns geworden. Das ist die »Extended Mind«-These, die die Philosophen Andy Clark und David Chalmers vertreten. »Ein Teil meines Geistes befindet sich auf meinem iPhone«, sagte David Chalmers im Jahr 2013 im Gespräch mit Hohe Luft, »das iPhone spielt die Rolle meines biologischen Gedächtnisses.« Bei mir ist es ähnlich wie bei Chalmers. Wenn jemand mein Handy durchstöbern würde, dann käme es Gedankenlesen schon ziemlich nah. Und wer so …

Höcke und Heidegger

Björn Höcke erscheint gern als Politiker, der alles im Griff hat, der sich seiner strategischen Einsätze voll bewusst ist. Auf seine Wortwahl – „1000 Jahre Deutschland“ – angesprochen, erläutert er der Reporterin abgeklärt: „Der Politiker muss natürlich manchmal überspitzen, gerade wenn es um Demonstrationsreden geht.“ Der AfD-Politiker will als Stratege erscheinen, der seine Gegner intellektuell in die Tasche steckt.

Na logisch! Das Slippery-Slope-Argument

Die Logik-Kolumne von Daniel-Pascal Zorn. Heute: Das Slippery-Slope-Argument. Im Sommer 2015 warnte die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer vor der ‚Homo-Ehe‘, der Einführung des Rechts auf Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare, indem sie auf die Folgen einer Veränderung des bisherigen Verständnisses von Ehe verwies: „Wenn wir diese Definition öffnen in eine auf Dauer angelegte Verantwortungspartnerschaft zweier erwachsener Menschen, sind andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen.“ Mit dieser Einschätzung ist sie nicht alleine. Auch in den USA warnten radikal-konservative Politiker wie Rick Santorum vor der Legalisierung der ‚same-sex-marriage‘ mit dem Argument, dann könne jeder jeden heiraten, auch fünf Menschen. Einige Kommentatoren wollten sogar Ehen zwischen Menschen und Tieren nicht mehr ausschließen.

Die Ästhetik der Gewalt

Es gibt derzeit viele Versuche, das durch radikalisierte Islamisten in die Welt getragene Böse rhetorisch zu bannen. Wie dem Terror antworten? Mit „Krieg“ (Gustave Hollande), „Wiedereinsetzung des internationalen Rechts“ (Etienne Balibar) oder „Klassenkampf“ (Slavoj Žižek)? Vokabeln wie diese implizieren, dass die Gewalt des Islamischen Staats und anderer terroristischen Organisationen einem Angriff auf unsere Vorstellungen von Moralität und Menschlichkeit gleichkommt.

Dieser Terrorismus ist kein Nihilismus

Nach den Anschlägen von Paris ist viel von Nihilismus die Rede. Vom “Angriff der Nihilisten” schreibt die Süddeutsche Zeitung, der “Standard” nennt die Täter “Agenten des Nihilismus”, und die Frankfurter Allgemeine Zeitung fragt, was “unsere Toleranz und Vernunft gegen den Nihilismus der Terroristen ausrichten” können. Das ist ein Missverständnis. Dieser Terrorismus ist kein Nihilismus. Im Gegenteil, er ist getrieben von dem Wunsch, dem Nihilismus zu entkommen. Wer die Biografien der Täter liest, nicht nur von letztem Freitag, sondern auch vom Anschlag auf die Charlie-Hebdo-Redaktion, der kann ein Muster finden: Es sind gescheiterte Gestalten, die orientierungslos vor sich hin lebten, bis sie begannen, sich zu radikalisieren. Damit kam gefühlter Sinn in ihr Leben. Plötzlich war klar, was gut und was böse, was richtig oder falsch ist. Die Terroristen sind völlig verstiegene Sinnsucher. Das ist wichtig zu verstehen, wenn man verhindern möchte, dass Menschen zu Terroristen werden. Dabei ist es kein Zufall, dass der Begriff des Nihilismus im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen aufkam. Am Freitag, den 13. November zeigte sich eine neue Stufe des Terrorismus – …

Die Hydra des Terrors. Carl Schmitt als Autor der Stunde?

Reinhard Mehring ist Politikwissenschaftler an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Er schreibt hier darüber, was es bedeutet, wenn angesichts der tragischen Ereignisse von Paris vom „Ausnahmezustand“ gesprochen wird. In diesen Tagen nach dem schwarzen Freitag vom 13. November 2015 erklingt an manchen Gedächtnisorten die hymnische Hippieutopie „Imagine“ von John Lennon. Man muss erinnern, dass das Lied über 40 Jahre alt ist und John Lennon erschossen wurde. „Imagine there’s no countries / It isn’t hard to do / Nothing to kill or die for / And no religion too / Imagine all the people living life in peace“. Das alte Lied ist heute ein sentimentaler Abgesang aus der Welt von gestern. Staatszerfall und offene Außengrenzen sehen wir heute anders, Staat und Religion schließen sich nicht mehr anarchistisch kurz. Die Politik wagt sich wieder an eine andere Rhetorik: Man spricht von Ausnahmezustand und Krieg.