HOHE LUFTpost vom 25.03.2016: Abstrakte Bedrohung
Nach den Anschlägen von Brüssel greift in Europa wieder die Terrorangst um sich. In den nächsten Wochen und Monaten wird in Verlautbarungen von Ministerien wieder viel von “Gefährdern” und “Bedrohungslagen” die Rede sein. Selten erfährt man Einzelheiten. Meist nur vage von “abstrakter Gefährung”, “konkreter Bedrohung” oder ähnlichem. Nun möchte man vielleicht meinen, dass eine Bedrohung umso beängstigender wird, je konkreter sie ist. Aber gerade die Dynamik der Terrorangst zeigt, dass es komplizierter ist. Eine konkrete Bedrohung sieht man vor sich. Man kann sich auf sie einstellen. Eine abstrakte Bedrohung lauert im Dunkeln, konturlos, ungreifbar. Die Fantasie befeuert die Angst. Die perfide Wirkung des Terrorismus entsteht durch den Wechsel zwischen konkreten Szenarien – zuletzt den Bildern aus Paris, Ankara, Istanbul und Brüssel – und abstrakter Bedrohung: “So etwas kann passieren, aber kann es auch mir passieren?” Die extremen Formen dieser wabernden Angst sind psychische Angststörungen. Bei ihnen gibt es gar keine konkrete Bedrohung. Nicht zuletzt wegen dieser Ungreifbarkeit sind sie so schwer zu behandeln. Vor diesem unseligen Mechanismus der ungerichteten Angst sollten wir gerade jetzt hüten und uns auf die konkrete Bedrohung konzentrieren.
– Tobias Hürter
Pingback: HOHE LUFT » HOHE LUFTpost – Bedrohung, die Zweite