Es gibt derzeit viele Versuche, das durch radikalisierte Islamisten in die Welt getragene Böse rhetorisch zu bannen. Wie dem Terror antworten? Mit „Krieg“ (Gustave Hollande), „Wiedereinsetzung des internationalen Rechts“ (Etienne Balibar) oder „Klassenkampf“ (Slavoj Žižek)? Vokabeln wie diese implizieren, dass die Gewalt des Islamischen Staats und anderer terroristischen Organisationen einem Angriff auf unsere Vorstellungen von Moralität und Menschlichkeit gleichkommt.
Sie lenken die Aufmerksamkeit auf bestimmte militärische, politische und rechtliche Konsequenzen, die sich jeweils aus diesem Angriff ergeben sollen. Doch sie helfen nicht unbedingt, das Unverstehbare zu verstehen. Die Gewalt der Dschihadisten ist auch noch unter einem ganz anderen Aspekt als dem (Anti-)Ethischen zu betrachten. Man muss das Böse, das seit 9/ 11 „unsere äußerst attraktive Art zu leben“ (Gustav Seibt) bedroht, auch als ästhetisches Phänomen ernst nehmen. Was für die beiden Flugzeuge gilt, die die Türme des World Trade Center zum Einsturz brachten, gilt genauso für die Explosionen, die sich danach in Madrid, London und Paris ereigneten, für das Blutbad in der Charlie Hebdo-Redaktion – wie für die Bilder brennender Körper, die das Online-Magazin Dābiq „zieren“. In jedem einzelnen Fall wird nicht nur eine neue Wirklichkeit konstituiert, zu der wir uns verhalten müssen, sondern auch ein perverses Kunstwerk. Ein Kunstwerk, das schockiert, aber auch wider Willen fasziniert. Die Attacken, die in unvorhersehbaren Abständen Europa und die Welt erschüttern – sie sind der Rap des Terrorismus. Ziel der terroristischen Neu-Interpretation von Gangsta-Rap, Pop Art und Performance Art ist jedoch nicht der Applaus. Sondern der Tod.
– Rebekka Reinhard
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