HOHE LUFTpost vom 26.02.2016: Bund hört mit
Stellen wir uns vor, es wäre der Kriminalpolizei erlaubt, verdächtigen Personen heimlich kleine Sonden ins Gehirn zu schleusen, die ihre Gedanken lesen. Wer eine Straftat plant, könnte gleich erkannt und daran gehindert werden, sie auszuführen. Dennoch ist es aus gutem Grund nicht erlaubt. Seine Gedanken gehören jedem Menschen allein. Niemand hat das Recht, dort hineinzuschauen, schon gar nicht die Staatsbehörden. Aber etwas Vergleichbares ist der Kriminalpolizei jetzt tatsächlich erlaubt. Der Bundestrojaner ist fertig, und die Regierung hat dem Bundeskriminalamt grünes Licht gegeben, ihn auf unsere Computer und Smartphones loszulassen. Diese Geräte sind längst mehr als Kommunikationsmittel. Sie sind Teil von uns geworden. Das ist die »Extended Mind«-These, die die Philosophen Andy Clark und David Chalmers vertreten. »Ein Teil meines Geistes befindet sich auf meinem iPhone«, sagte David Chalmers im Jahr 2013 im Gespräch mit Hohe Luft, »das iPhone spielt die Rolle meines biologischen Gedächtnisses.« Bei mir ist es ähnlich wie bei Chalmers. Wenn jemand mein Handy durchstöbern würde, dann käme es Gedankenlesen schon ziemlich nah. Und wer so etwas erlaubt, sollte sich fragen, ob ihm Privatheit überhaupt noch etwas wert ist.
– Tobias Hürter