Autor: HOHE LUFT Magazin

Alle für alle?

Wir brauchen mehr Solidarität. Es gibt wohl kaum jemanden, der diesen Satz nicht unterschreiben würde. Aber was heißt es eigentlich, solidarisch zu sein? Und wo liegen die Grenzen der Verbundenheit? Text: Robin Droemer und Greta Lührs Vielen fällt bei dem Wort »Solidarität« zuallererst der Solidaritätszuschlag ein, andere denken an die Arbeiterparole »Hoch die internationale Solidarität!«. Im zwischenmenschlichen Bereich nennen wir jemanden solidarisch, der sich für die Belange anderer einsetzt – zum Beispiel für Flüchtlinge. Insofern sehen wir Solidarität als Tugend an. Dabei reicht manchmal bereits ein simpler Sprechakt. Als John F. Kennedy sagte, er sei ein Berliner, solidarisierte er sich mit den Bürgern West-Berlins. Als kürzlich ein Jugendlicher ein Video über die Folgen seines Mobbings ins Internet stellte, sprachen Zeitungen von »Wellen der Solidarität«, die dieses Video auslöste.Tausende bekundeten ihre Anteilnahme und lobten den Jungen für seine Offenheit. Die Ursprünge des Solidaritätsbegriffs reichen zwar zurück bis ins römische Recht, doch ihre politische Bedeutung gewann die Solidarität erst durch die Französische Revolution: Aus der Parole der Brüderlichkeit entwickelte sich bald die der Solidarité. Bis der Begriff …

Gesundheit und digitale Transformation: Risiken und Chancen

Wie „menschlich“ ist die digitale Medizin? Sind KI-Systeme die besseren Ärzte? Wie sicher sind unsere Gesundheitsdaten? Wie wichtig ist Ethik im Bereich Digital Health? Über diese und andere spannende Fragen rund um Gesundheit im digitalen Zeitalter diskutiert Dr. Rebekka Reinhard, stv. Chefredakteurin von HOHE LUFT mit: Dr. Jens Baas, Vorstandvorsitzend der TK, ein studierter Humanmediziner, der nach dem Studium zunächst an zwei chirurgischen Universitätskliniken arbeitete. Emotion Award-Preisträgerin Mina Saidze, KI- und Big Data-Fachfrau, Gründerin von Inclusive Tech, der europaweit ersten Lobby- und Beratungsorganisation für Diversity und Inklusion in der Tech-Branche, die vom Wirtschaftsmagazin Forbes in die Liste der erfolgreichsten „30 Under 30“ aufgenommen wurde. Kenza Ait Si Abbou, Spezialistin für Robotics und KI und hochbegabte Rechenkünstlerin, die schon als Kind Matheaufgaben schneller löste, als ihre Mutter sie ihr stellen konnte, und heute für Unternehmen wie IBM. Philipp Westermeyer, ehemaliger Vorstandsassistent bei Bertelsmann und Gründer der Online Marketing Plattform OMR. Ein Panel von Inspiring Network, Die Techniker (TK) und HOHE LUFT über die digitale Transformation im Gesundheitsbereich. Schaut mal rein – es lohnt sich! (Bild: Lisa Notzke)

Die neue HOHE LUFT ist da!

„Wie viel ist genug?“ … fragen wir in unserer neuen Ausgabe. Eine wichtige Frage angesichts des Krieges, der Gasknappheit, Inflation und Rezession. Die aktuelle Krise bedroht unseren Wohlstand – und womöglich auch unseren sozialen Zusammenhalt. Denn sie trifft nicht alle Menschen gleich, sondern vor allem die Ärmeren, während die Reichen und Superreichen womöglich sogar profitieren. Das macht die Entwicklung so brandgefährlich für unsere Gesellschaft. Auch der Klimawandel zwingt uns dazu, unsere Lebensweise radikal zu verändern und auf Wohlstand zu verzichten. Über die Krisen nachzudenken heißt auch, über soziale Ungleichheit nachzudenken – und damit über die Frage, was Menschen für ein gutes Leben brauchen. Wir haben diesen Heftschwerpunkt daher dem Thema „Arm und Reich“ gewidmet. Außerdem im Heft: Die Berliner Autorin Ariana Zustra beschäftigt sich mit der Kabarettistin Lisa Eckhart und der Schwierigkeit, Ambivalenzen auszuhalten. Tobias Hürter porträtiert den Logiker Gottlob Frege. Und Merlin Wassermann fragte den im chinesischen Macau lehrenden Philosophen Hans-Georg Möller im Interview, warum die Ära der Authentizität sich dem Ende neigt.

Intuitionspumpen und Laborethik

Philosophen argumentieren gern mit Gedankenexperimenten. Die sind aber oft weltfremd. Es wäre besser, die Denker würden sich mehr an der Wirklichkeit orientieren. Text: Tobias Hürter Wie wäre es, eine Fledermaus zu sein? Wenn der Körper eines Menschen wie beim Beamen in seine molekularen Einzelteile zerlegt und auf einem anderen Planeten wieder zusammengebaut würde, wäre es dann immer noch derselbe Mensch? Wenn ein Terrorist nur davon abgehalten werden kann, eine Atombombe zu zünden, indem man sein Kind foltert, würden Sie es tun? DAS SIND DREI GEDANKENEXPERIMENTE, über die Philosophen diskutieren, mit denen sie erhellen wollen, was richtig oder falsch, gut oder schlecht, zu tun oder zu lassen ist. Gedankenexperimente sind ein Standardwerkzeug der Philosophen, wie die Petrischale für Mikrobiologen, wie das Teleskop für Astronomen. Aber was können Gedankenexperimente uns zeigen? Was ist ihr »Auflösungsvermögen«, und wo verzerren sie die Wirklichkeit? Das sind selten gestellte Fragen. Viele Philosophen lassen sich zwar auf Gedankenexperimente ein, nicht aber auf eine Diskussion, ob dieses Instrument geeignet ist. Auf den ersten Blick mag dieses Versäumnis nur die Philosophen selbst angehen. Doch …

Mitten im Leben

Kann es Zufall sein, dass gerade ein Chemiker und ein Mediziner die bedeutendste philosophische Tradition Amerikas ins Leben riefen? Wie Charles Sanders Peirce und William James den Pragmatismus entwickelten. Text: Thomas Vašek Cambridge, Massachusetts, 1872. In der kleinen Stadt rund um die berühmte Harvard University blüht das intellektuelle Leben. Seit dem Ende des Bürgerkriegs herrscht geistige Aufbruchsstimmung, das moderne Amerika entsteht. In philosophischen Zirkeln treffen sich gebildete Bürger aus ganz verschiedenen Berufen, um gemeinsam Texte zu lesen und zu diskutieren. Eine dieser Gruppen ist der »Metaphysical Club«, zu den Gründern gehören William James (1842–1910) und Charles Sanders Peirce (1839–1914). Es ist diese Diskussionsrunde, in der die bedeutendste philosophische Tradition Amerikas ihren Anfang nimmt. Dabei sind weder James noch Peirce ausgebildete Philosophen. Peirce, der Sohn eines Harvard-Mathematikprofessors, hat Chemie studiert; zeitlebens arbeitet er in der United States Coast and Geodetic Society, wo er sich mit Abweichungen von der Erdgravitation befasst, später unterrichtet er nebenbei auch Logik. James ist ausgebildeter Mediziner; er gilt als Begründer der amerikanischen Psychologie. Beide verbindet ein tiefes Interesse an den großen philosophischen …

Zwischen den Geschlechtern

Text: Rebekka Reinhard … es sind die Fetzen der Debatten rund um das „Geschlechter”-Thema. Die Frage, ob es jenseits von Mann und Frau noch ‚etwas anderes’ gibt, geben darf, geben sollte, erhitzt die Gemüter weit stärker als die Erderwärmung. Mit ‚etwas anderes’ meine ich: das T-Wort. Die Transsexualität. Da ist die Biologin Marie-Luise Vollbrecht, die in ihrem erst abgesagten, dann nachgeholten Vortrag an der Humboldt Universtät erklärt, warum es aus biologischer Sicht zwei und nur zwei Geschlechter („sexes”) gibt. Da ist die Gender Studies-Soziologin Paula Villa-Braslavsky, die in der TAZ von der individuellen „Selbstgestaltung des auch körperlichen Geschlechts” spricht.  „Ich bin eine Frau.” Caitlyn Jenner Worum geht es wirklich? Die (begriffliche) Verwirrung ist groß. In den Medien ist abwechselnd mal von „Transsexualität”, mal von „Transgender” die Rede. Der erste Begriff lässt einen Zusammenhang mit bestimmten sexuellen Präferenzen assoziieren, der zweite suggeriert den Kontext des sozialen Geschlechts („gender”), also der geschlechtlichen Rolle, die wir im Alltag einnehmen. Häufig liest und hört man zudem von „in das jeweils andere Geschlecht” „umgewandelten” oder „umoperierten” Personen, wenn es um …

Zombies des Zasters

Mit der Erfindung des Geldes wollte der Mensch einst den Tausch von Waren erleichtern. Mit einem rechnete er nicht: dass es ein Eigenleben entwickeln würde. Dass die Moneten zum Meister werden würden, die den Lauf der Welt diktieren – und die Menschen nicht nur dessen Diener, sondern in letzter Konsequenz sogar: überflüssig würden. Text: Tobias Hürter und Thomas Vašek Im Frühjahr 1827 ging es Ludwig van Beethoven gar nicht gut. Nachdem er viele Jahre lang großzügig dem billigen Weißwein zugesprochen hatte, zeigte der 56-Jährige nun schwere Symptome einer Leberzirrhose: Gelbsucht, Wasser in den Beinen und im Unterleib. Drei Operationen hatten ihn geschwächt. Um seine Lebensgeister wieder zu wecken, verschrieben die Ärzte ihm »Punsch-Eis in bedeutender Quantität täglich«. Zunächst schien es zu funktionieren: Beethoven konnte sogar wieder seinen Lesesessel beziehen. Er nahm Walter Scott zur Hand. Der Komponist schätzte den schottischen Nationaldichter, hatte sogar ein paar von dessen Texten vertont. Doch dieses Mal wollte Scott ihm nicht gefallen. Beethoven musste sich furchtbar aufregen. »Der Kerl schreibt doch bloß fürs Geld!«, rief er und schleuderte den Band …

Worauf wir bauen können

Oder: Warum wir in haltlosen Zeiten vor allem eines brauchen – eine eigene Haltung, die uns durchs Leben navigiert. Text: Rebekka Reinhard, Tobias Hürter, Thomas Vašek Irgendwas stimmt nicht mehr, und keiner weiß warum. Die Menschen können nicht mehr vernünftig miteinander reden, nicht mehr miteinander diskutieren. Die Flüchtlingsfrage entzweit Freundeskreise, ja ganze Familien. Man fetzt sich wegen Trump, regt sich auf über die »Eliten«, schimpft auf Merkel und die Politik. Und jeder glaubt, es besser zu wissen als der andere. Auf Facebook herrscht mittlerweile ein Erregungs- und Empörungspegel, der kaum noch auszuhalten ist. Dabei gäbe es genug Gründe für ein wenig Zuversicht. Ökonomisch geht es uns gut; rund 60 Prozent sind mit ihrer wirtschaftlichen Lage zufrieden, wie eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach ergab. Die Flüchtlingskrise scheint halbwegs im Griff zu sein, die demokratischen Verhältnisse wirken stabil, ein Phänomen Trump blieb uns bisher erspart. Die Deutschen könnten also durchaus optimistisch in die Zukunft blicken. Und doch scheint es, als wäre das Gegenteil der Fall. Überall herrschen Angst, Besorgnis und Wut. Laut Allensbach- Zahlen sieht …

Die neue HOHE LUFT ist da!

„Was gibt uns Zuversicht?” fragen wir in unserer neuen Ausgabe. Mit gutem Grund, meinen wir, denn was wir angesichts der düsteren Nachrichtenlage brauchen ist, ist vor allem: Vertrauen, Optimismus, Mut, die eigenen Fähigkeiten zur Überwindung von Krisen (neu) zu entdecken. Der Mensch kann allen, oder zumindest sehr vielen Widrigkeiten trotzen. Denn was uns eint, ist die Fähigkeit und die Kraft zur Zuversicht. In unserem Schwerpunkt ‚Zukunft’ geht es darum, was Zuversicht wirklich heißt; außerdem fragen wir, wie und was wir aus vergangenen Irrtümer für die Zukunft lernen können; im großen Schwerpunkt-Interview fordert die Philosophin, Umwelt- und Tierethikerin Corine Pelluchon eine neue Aufklärung, die für mehr Naturschutz und Gerechtigkeit sorgt.Außerdem im Heft: Ein Essay über den Sinn der Eifersucht; ein Porträt von Nikolaus Kopernikus; ein Lob des Lasters; sowie: Enfant terrible der Philosophie Slavoj Zizek im Gespräch über Freiheit, Freud – und das Nirvana; …und vieles mehr!

Die Freiheit des Müssens

Das Leben als To-do-Liste: Wir sind freier als je zuvor , und doch »müssen« wir immer mehr. Aber was heißt das für unsere Vorstellung von Selbstbestimmung? Ein Argument für einen zeitgemäßen Autonomiebegriff. Text: Thomas Vašek  Müssen Sie morgen früh wirklich aufstehen? Warum bleiben Sie nicht einfach im Bett? Und warum tun wir alle nicht überhaupt nur das, was uns gefällt? Zur Arbeit gehen, Rechnungen bezahlen, die Steuererklärung machen, Behördengänge erledigen, Verwandte besuchen oder einfach nur E-Mails beantworten: Das Leben ist eine einzige To-do-Liste – überall nur Pflichten, Zwänge, Normen und Gebote. Ständig stellt jemand Ansprüche an uns. Ständig »müssen« wir irgendwas tun. Aber was müssen wir wirklich? Warum müssen wir? Müssen wir überhaupt irgendwas? Wahrscheinlich fallen Ihnen sofort viele Dinge ein, die Sie unbedingt tun »müssen« – und zwar womöglich heute noch. Vielleicht müssen Sie einen Anruf tätigen, einkaufen gehen oder auch nur die Blumen gießen. Nichts davon müssen Sie natürlich im eigentlichen Sinn. Etwas tun zu müssen, heißt ja streng genommen, dass es das Einzige ist, was man überhaupt tun kann – dass es …