Text: Rebekka Reinhard
… es sind die Fetzen der Debatten rund um das „Geschlechter”-Thema. Die Frage, ob es jenseits von Mann und Frau noch ‚etwas anderes’ gibt, geben darf, geben sollte, erhitzt die Gemüter weit stärker als die Erderwärmung. Mit ‚etwas anderes’ meine ich: das T-Wort. Die Transsexualität. Da ist die Biologin Marie-Luise Vollbrecht, die in ihrem erst abgesagten, dann nachgeholten Vortrag an der Humboldt Universtät erklärt, warum es aus biologischer Sicht zwei und nur zwei Geschlechter („sexes”) gibt. Da ist die Gender Studies-Soziologin Paula Villa-Braslavsky, die in der TAZ von der individuellen „Selbstgestaltung des auch körperlichen Geschlechts” spricht.
„Ich bin eine Frau.”
Caitlyn Jenner
Worum geht es wirklich? Die (begriffliche) Verwirrung ist groß. In den Medien ist abwechselnd mal von „Transsexualität”, mal von „Transgender” die Rede. Der erste Begriff lässt einen Zusammenhang mit bestimmten sexuellen Präferenzen assoziieren, der zweite suggeriert den Kontext des sozialen Geschlechts („gender”), also der geschlechtlichen Rolle, die wir im Alltag einnehmen. Häufig liest und hört man zudem von „in das jeweils andere Geschlecht” „umgewandelten” oder „umoperierten” Personen, wenn es um – hier die Formulierung der WHO – „geschlechtliche Inkongruenz” geht.
„Strenggenommen kann man nicht sagen, dass die ‚Frau’ existiert.”
Julia Kristeva
Aufgrund meiner persönlichen Gespräche und Begegnungen mit unterschiedlichsten, sich als „Trans” fühlenden Personen möchte ich behaupten (auch auf die Gefahr, gleichfalls zerfetzt zu werden): Es geht weder um Biologie noch um Gender. Weder um Binarität noch um „Diversity”. Weder um die Frage, wie viele Geschlechter es geben kann/ darf/ soll noch um die Frage, wer Recht hat. Es geht um Identität – in einem sehr spezifischen, No-Bullshit-Sinne. Es geht um die absolut individuelle und absolut subjektive Gewissheit einer Person, nicht das Geschlecht zu ‚sein’, in dem sie steckt, das ihr zugeschrieben wird, als das sie von anderen (an)erkannt wird. Biologisch, sozial, machtdynamisch, was auch immer. Es geht nicht um einen neuen Trend, um eine mögliche Verführung durch Instagram (auch wenn Eltern berechtigte Sorgen haben mögen, Ihre Kids würden vorschnell eine pubertäre Verwirrung mit einer bleibenden Identität verwechseln). Die Sache ist kompliziert. Tatsächlich scheint es so zu sein, dass nicht jede „Trans”-Person von Mann zu Frau respektive von Frau zu Mann wechseln will/ soll/ muss. SONDERN?, fragen Sie sich jetzt womöglich.
„Ich bin Dennis UND Denise.”
Anonym
Lassen Sie mich ganz vorsichtig formulieren: Vielleicht ist es gar nicht unsere wichtigste Aufgabe, herauszufinden, was die „Wahrheit” über „das Geschlecht” oder „die Geschlechter” ist. Vielleicht besteht sie darin, uns darüber zu verständigen, was diese Wahrheit nicht sein sollte. Eine selbstverständliche Degradierung des Unklaren, Unbestimmbaren, Menschlichen zugunsten des vermeintlich Klaren, Bestimmten, Widerspruchsfreien.