Alle Artikel in: Interview

»Wohlstand ist mehr als Wachstum« – 3 Fragen an Kerstin Andreae

»Klugheit« ist das aktuelle Schwerpunktthema in HOHE LUFT (Heft 6/2020). Und wir meinen: Klugheit braucht viele Sichtweisen. Daher haben wir Menschen aus den unterschiedlichsten Fachbereichen gefragt, was aus ihrer Sicht klug ist. Hier antwortet Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): Frau Andreae, wie verbindet man auf kluge Art Ökologie und Ökonomie? Wohlstand ist mehr als Wachstum. Aber Wachstum, das unsere Wirtschaft nachhaltig verbessert, brauchen wir. Erneuerbare Energien, Wasserstoff, Elektromobilität und grüne Gase beispielsweise sind die Bereiche, die wachsen müssen, um klimaschädliche Technologien zu verdrängen. Neben negativen und tragischen Entwicklungen in der Corona-Krise sehr ich auch eine positive: Wir denken jetzt wieder mehr darüber nach, wie wir künftig leben und arbeiten wollen oder wie unsere Nahrung produziert wird.Welche Art von Unterstützung brauchen fähige, engagierte Frauen heute am meisten? Unterstützung klingt mir viel zu sehr nach Hilfestellung. Aber darum geht es nicht. Es geht um Selbstbewusstsein im besten Sinne. Ich war immer der Meinung, dass Frauen ihre unbestreitbaren Stärken nutzen sollen, anstatt zu versuchen, sich den vorherrschenden Ritualen anzupassen. Und auch …

»Das Grundeinkommen weitet Sinn und Verstand«

Die Idee eines »bedingungslosen Grundeinkommens« gibt es schon seit Jahrhunderten, doch so aktuell wie heute war sie noch nie. Die Corona-Krise hat Millionen Menschen in existenzielle Bedrängnis gebracht. In absehbarer Zukunft könnte der digitale Wandel massenhaft Jobs vernichten. Ein Grundeinkommen würde Menschen nicht nur materiell absichern, meinen die Befürworter. Es könnte uns auch ein für allemal vom Arbeitszwang befreien, der weite Teile unseres Lebens bestimmt. Ein solches Einkommen wäre nicht finanzierbar, meinen die Gegner, zudem würde es die Arbeit entwerten. Ist die Zeit jetzt reif, das Experiment zu wagen, wie es einige Petitionen auch für Deutschland fordern? Der gemeinnützige Verein „Mein Grundeinkommen e.V.“ startet nun ein Pilotprojekt: 120 Menschen erhalten drei Jahre lang 1200 Euro im Monat. Das Experiment wird mit einer Studie begleitet, die die Auswirkungen eines bedingungslosen Grundeinkommens untersuchen will. Um Teilnahme bewerben kann man sich hier. Wäre das Grundeinkommen gerecht? Und wie würde es unsere Einstellung zur Arbeit verändern? Die beiden Philosophen und Ökonomen Philip Kovce, 33, und Birger P. Priddat, 70, haben sich zu diesem Thema für HOHE LUFT die Köpfe …

»Warum lassen wir es zu, dass bestimmte Arbeit als so viel wertvoller betrachtet wird als andere?«

Die Philosophie-Professorin Lisa Herzog befasst sich viel mit der Gestaltung der Arbeitswelt. Wir sprachen mit ihr über deren soziale Komponente, über Digitalisierung, Selbstverwirklichung und die Bedeutung von Demokratie in Unternehmen. Wie sind Finanzmärkte moralisch zu bewerten? Was bedeutet gute Arbeit in der digitalen Welt? Und wie viel Demokratie braucht die Wirtschaft? Es sind Fragen an der Schnittstelle zwischen Ökonomie, Philosophie und Politik, die Lisa Herzog interessieren. Die 36-jährige Professorin an der Universität Groningen (Niederlande) knüpft damit an eine alte Tradition an. Schon zu Zeiten von Adam Smith und Karl Marx standen politische Ökonomie und ­Philosophie in einem engen Verhältnis. Doch Herzog forscht nicht nur zur Ideengeschichte, sondern auch zu ganz aktuellen Fragen der Wirtschafts- und Arbeitswelt, wie etwa den Auswirkungen der Digitalisierung oder der Rolle der Ethik in Unternehmen. Stets geht es Herzog, die von der Gesellschaftskritik der »Frankfurter Schule« geprägt ist und zusammen mit Axel Honneth geforscht hat, auch um soziale und politische Zusammenhänge – und damit um die Frage, wie sich Wirtschaft mit Gerechtigkeit vereinbaren lässt. Dabei scheut sie sich nicht vor brisanten …

»Während wir sprechen ist eine kulturelle Revolution im Gange«

Der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama hat ein Buch über »Identität« ­geschrieben. Wir sprachen mit ihm über die ­Gefahren einer Politik, die sich einzelnen Gruppen verschreibt, über die Gründe für Nationalismus und ­darüber, was es braucht, damit ­Gesellschaften offen bleiben und sich dennoch als Einheiten verstehen. Anfang der 1990er-Jahre rief Francis Fukuyama das »Ende der Geschichte« aus – damals ahnte er noch nicht, in welchem Zustand die westlichen Demokratien im Jahr 2019 sein würden. Die berühmt gewordene These des Politikwissenschaftlers, der an der kalifornischen Stanford Universität lehrt, wurde von vielen missverstanden. Fukuyama wollte nicht sagen, dass die Weltgeschichte in dem Sinne zu Ende sei, dass ab diesem Zeitpunkt nichts Nennenswertes mehr geschähe. Seine Aussage war in einem Hegel’schen Geschichtsverständnis gemeint, nach welchem sich die weltgeschichtliche Entwicklung auf ein Ziel hin bewege. Nicht im Kommunismus, wie Karl Marx (1818–1883) dachte, sondern in der liberalen Marktwirtschaft fänden die gesellschaftlichen Entwicklungskämpfe ihr Ende, so Fukuyama. Einer der Gründe, weshalb sich die Demo­kratie als System durchsetzen würde, sei, dass Demokratien ihren Bürgern die Anerkennung ihrer Identität am besten zusichern könnten. …

»Autonom ist man nur zusammen mit anderen«

Wie kann ich so leben, wie ich es gern möchte? Diese Frage stellt sich wohl jeder, der einen genaueren Blick auf sein Leben wirft und sie ist immer wieder Bestandteil gesellschaftlicher Debatten. Macht der Kapitalismus unfrei? fragen die einen. Werden wir von den sozialen Medien manipuliert? die anderen. Oder auch: Wie können wir die Strukturen der Diskriminierung durchbrechen, die die #metoo-Debatte anklagt? Beate Rössler, Professorin für Philosophie an der Universität Amsterdam, ist für diese Themen genau die richtige Gesprächspartnerin. Seit Jahren erforscht sie das Gebiet der Autonomie. Bekannt wurde die Philosophin zunächst durch ihr Buch »Der Wert des Privaten« (2001), in dem sie eine Theorie des Privaten für die moderne, vernetzte Gesellschaft entwirft, die später reichlich philosophisches Futter für die Debatte um Überwachung lieferte. Eine der Grundthesen Rösslers lautet: Privatheit ist eine Voraussetzung für Autonomie. »Autonomie« ist auch der Titel ihres aktuellen Werkes, das noch größeres Medieninteresse geweckt hat. Weshalb Selbstbestimmung gerade heute eine so wichtige Rolle spielt, darüber möchten wir mit ihr reden. Beate Rössler empfängt uns zum Gespräch in ihrem Büro auf dem …

90. Geburtstag von Jürgen Habermas: „Der öffentliche Intellektuelle ist eine bedrohte Spezies“

  Der weltbekannte Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas feiert seinen 90. Geburtstag. Was können wir im Jahr 2019 von ihm lernen? Wieso liest man Habermas auch in China? Und welche Frage würde sein Biograf, Stefan Müller-Doohm, ihm selbst gerne stellen? Stefan Müller-Doohm ist emeritierter Professor für Soziologie an der Carl von Ossientzky Universität Oldenburg und Autor mehrerer Biografien, etwa von Theodor W. Adorno und  Jürgen Habermas (»Jürgen Habermas. Eine Biografie«, Suhrkamp). Im Interview mit HOHE LUFT spricht er darüber, warum Habermas nicht an die These der Postdemokratie glaubt, sehr wohl aber, dass wir uns mitten in einer Medienrevolution befinden und darüber, warum Habermas weltweit die Rolle eines geistigen Impulsgebers innehat.   HOHE LUFT: Mit Habermas sind viele theoretische Konzepte verknüpft – vom kommunikativen Handeln über den herrschaftsfreien Diskurs bis zur postsäkularen Gesellschaft. Welche Theorie hat heute die größte Aktualität?   Müller-Doohm: Man kann die von Ihnen genannten Elemente nicht auseinanderdividieren. Die Theorie von Habermas ist in ihrer Vielschichtigkeit ein Ganzes. Was wir 2019 in einer politischen Dimension ganz besonders von ihm lernen können, ist der …

»Die Moderne ist unglaublich anstrengend«

Seit dem Ausstieg Mesut Özils aus der Fußball-Nationalmannschaft und seinem Vorwurf, rassistische Anfeindungen erlebt zu haben, wird wieder über Rassismus diskutiert. Unter dem Hashtag #metwo schildern zahlreiche Menschen ihre schmerzlichen Erfahrungen mit Alltagsrassismus. Thomas Vašek und Tobias Hürter sprachen mit dem Soziologen Armin Nassehi über die Entstehung von Rassismus und darüber, wie er sich überwinden ließe. Außerdem spricht der an der Münchner LMU lehrende Soziologe über die AfD, rechtes und linkes Denken und darüber, was uns wirklich veranlasst, Dinge zu tun. Hier geht’s zum Interview (erschienen in HOHE LUFT 4/2016).

»Philosophie muss bescheidener werden«

Carlos Fraenkel ist Philosophie-Professor und ein Wandler zwischen den Welten. Er wuchs in Deutschland und Brasilien auf, studierte in Berlin und Jerusalem und er versucht, die Philosophie als Werkzeug zu nutzen, um Konflikte zu entschärfen. Er hat mit Studenten auf der ganzen Welt philosophiert und darüber das Buch »Platon in Palästina« geschrieben. Auf dem 20. Philosophicum hielt er den Festvortrag über die Rolle der Philosophie in unserer unruhigen Zeit. HOHE LUFT-Redakteur Robin Droemer sprach mit ihm darüber, was die Liebe zur Weisheit kann – und was nicht. Hier klicken für das ganze Interview aus der aktuellen Printausgabe. Für noch mehr Lust am Denken: Hier können Sie das aktuelle Heft und ältere Ausgaben versandkostenfrei bestellen.