Alle Artikel mit dem Schlagwort: Corona

Brauche ich immer mehr? Heft 3/21

Wir erleben spannende Zeiten. Das Jahr 2021 ist voller Herausforderungen und Krisen – und birgt doch auch so einige Chancen. Es gilt mehr denn je, uns als Individuen wie als Gesellschaft insgesamt zu fragen, wie wir künftig leben wollen. In diesem Sinne widmet sich die aktuelle Ausgabe von HOHE LUFT dem Schwerpunkt Wachstum in all seinen Aspekten: Brauche ich immer mehr? Wir untersuchen die Grenzen ökonomischen Wachstums, sprechen mit dem Wildtierflüsterer »Woid Woife« darüber, was wir vom Werden und Vergehen in der Natur lernen können, prüfen, was die Sieben Todsünden mit Wachstum zu tun haben – und zeigen, wie wir an Krisen wachsen können. Weitere Themen im Heft sind u. a.: Zuhören – über eine große Fähigkeit und einen stillen Zauber; Wir isolierten Atome – was bedeutet fehlende Nähe für unser Mineinander?; ein Porträt der großen amerikanischen Essayistin Susan Sontag; die Historikerin Hedwig Richter über ihren optimistischen Blick auf die Entwicklung der Demokratie. Wir wünschen Ihnen eine inspirierende Lektüre! Hier können Sie das neue Heft sowie ältere Ausgaben versandkostenfrei bestellen. Lob, Anregungen und Kritik nehmen …

»Wir müssen anders leben«

Der Mediziner und Gesundheitsökonom Karl Lauterbach ist einer der gefragtesten Politiker während der Coronakrise. Für unser Heft HOHE LUFT kompakt »Mensch und Medizin« sprachen wir mit ihm über die Lehren aus der Pandemie, die Schwächen demokratischer Gesellschaften in Krisensituationen – und seine Ängste als Politiker und Mensch. Interview: André T. Nemat, Thomas Vašek Illustration: Gabriele Dünwald HOHE LUFT: Herr Lauterbach, wie beurteilen Sie die derzeitige Entwicklung der Pandemie? (Stand: 15. Januar 2021) KARL LAUTERBACH: Wir sind an einem ganz kritischen Punkt angekommen. Die nächsten zwei bis drei Monate werden die schwersten der gesamten Pandemie sein. Weil wir noch zu wenig Impfstoff haben, uns mitten in einer schweren zweiten Welle befinden – und weil durch die Winterwetterlage die Lockdown-Maßnahmen weniger wirken. Wenn wir breitflächig dann auch noch die britische Mutation B117 in Deutschland bekämen, wäre sogar eine dritte Welle möglich. Was muss aus Ihrer Sicht jetzt getan werden? Mir scheint es wichtig zu sein, den Lockdown so lange fortzusetzen, bis wir eine Zielinzidenz von 25 pro 100.000 Einwohner pro Woche erreicht haben. Das jetzige Lockdown-Ziel von …

Raus ins Offene! Unsere Ausgabe 5/2020 ist da

Es gibt etwas zu feiern: 50 Ausgaben HOHE LUFT, das sind fast zehn Jahre »Lust am Denken«. Das sind 48 Heftproduktionen in Hamburg und zwei aus dem Homeoffice, für mich bedeutete das etliche Bahnfahrten zwischen München und Hamburg, auf denen ich oft noch die letzten Texte schrieb oder redigierte. Es bedeutet jedes Mal auch die Freude, mit dem besten Team zusammenzuarbeiten, das sich der Chefredakteur einer etwas anderen Philosophiezeitschrift nur wünschen kann, ein Team übrigens, das seit Beginn überwiegend aus Frauen besteht. Es bedeutet natürlich auch, Leser zu haben, die sich für Themen begeistern wie »Schluss mit dem Bullshit«, »Müssen wir überhaupt irgendwas?« oder »Ich sehe was, was du nicht siehst«. An dieser Stelle möchte ich Ihnen für Ihre Treue in all den Jahren danken. Wie alle unsere Ausgaben steht diese unter dem Eindruck aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen. Das ist diesmal nicht nur die andauernde Corona-Krise, sondern auch die politische Dynamik in den USA. Für unseren Leitartikel konnten wir als Gastautor Torben Lütjen gewinnen, der bis vor Kurzem an der Vanderbilt University in Tennessee lehrte (hier …

Die neue Weltmarke

Sie kam aus dem Nichts. Sie war plötzlich da. Man könnte jetzt sagen: die Krankheit, die Pandemie. Doch vielleicht sollten wir Corona auch einmal anders betrachten: als Marke, die die Karten neu zu mischen vermag. Marken bewegen die Welt. Sie kommen als Kristal­lisationspunkte persön­licher »Bedürfnisse« und gesellschaftlicher »Werte« daher. Für Kin­der gehören Marken zur natür­lichen Welt wie etwa Bäume und ­Eichhörnchen. Für Erwachsene kann sogar ein Mensch zur »Marke« werden (solange er sich nur erfolgreich vermarktet). Erwachsene leben Kindern vor, was wirklich zählt: Adidas steht für Sport und Hipness, Apple heißt Vernetzung, Information und unendlicher Spaß. Erfolgreiche Marken können das Selbstwertgefühl ihrer Anhänger boosten und Atmosphären von Wärme und Zugehörigkeit ­erzeugen, wie es früher nur kirchlichen Gemeinschaften gelang. Die aktuell und wohl noch für lange Zeit erfolgreichste Marke ist Corona. Eine absolute Ausnahmeerscheinung. Corona kam ganz ohne Storytelling aus, um sich auf dem Weltmarkt zu etablieren und in Rekordzeit die bisherigen Top-Player wegzukicken. Vor Corona ging eine gleich­namige Biermarke blitzschnell in die Knie (ganz ohne Markenrechtsstreit). Das Erfolgsgeheimnis von Corona ist die hochprofessionelle, zuverlässige und …

Krankenschwestern der Nation

Ich bin wütend. Ich kann es mir leisten. Ich habe Zeit dazu. Anders als die meisten meiner Freundinnen kann ich mich voll und ganz auf meine Videokonferenzen konzentrieren… und zwischendurch über den Grund meiner Wut nachdenken. Ich muss nicht überlegen, was ich noch alles tun muss, eigentlich schon längst hätte erledigen sollen. Waschen, Putzen, Kochen, Schleppen, Hausaufgabenbetreuen, Streitschlichten. Ich bin nicht verheiratet und habe keine Kinder. Ich habe Zeit. Also artikuliere ich meine Wut stellvertretend für die vielen Frauen, die es nicht können. Weil sie noch die Wäsche machen müssen. Und die Mathe-Hausaufgaben. Und noch schnell zum Supermarkt und in die Drogerie. Weil ihr Mann noch zoomen und früh schlafen gehen muss. Weil er mehr verdient als sie. Corona wird die Frauenbewegung um drei Jahrzehnte zurückwerfen, prophezeit die Soziologin Jutta Allmendinger. Ich glaube, es ist noch schlimmer. Wir befinden uns wieder in den frühen 60er Jahren. Ein Indiz hierfür ist die Aktualität einer alten Hollywoodkomödie mit Doris Day: Was diese Frau so alles treibt (1963). Protagonistin Beverly Boyer ist blond, mit einem Frauenarzt verheiratet, ein …

Kopf hoch! Unsere Ausgabe 4/20 ist da

Corona und erst einmal kein Ende in Sicht. Oder glauben Sie, dass wir in naher Zukunft zur einstigen Normalität zurückkehren? Und wenn nicht, muss das schlecht sein? Vielleicht könnte uns eine künftige Unnormalität viel Gutes nicht nur in technologischer Hinsicht, sondern auch in Sachen Menschlichkeit bescheren: In unserem Titelessay fragt Chefredakteur Thomas Vašek, wie wir aus der Sorge um unsere Zukunft eine Sorge füreinander schöpfen können. Im großen Interview spricht die israelische Soziologin Eva Illouz über Wahrheit, über ihre Rolle als öffentliche Intellektuelle und darüber, dass Soziologie für sie untrennbar mit philosophischer Reflexion verbunden sein muss. Reflexion beginnt mit Offenheit und Verstehen. Wie wir lernen zu verstehen und was das für die Entwicklung künstlicher Intelligenz bedeutet, erklärt der auf KI spezialisierte Kognitionswissenschaftler Samer Schaat. Das Verstehen und Deuten von Sinnzusammenhängen ist seit je das Ziel der Hermeneutik, die Tobias Hürter in einem Essay erklärt. Vollkommen verständnislos dagegen stehen viele immer noch neuen Schreibweisen wie »LehrerInnen«, »Profx.« oder »Bürger*innen« gegenüber. Eine hilfreiche Einordnung zum Gendern, die die wichtigsten Argumente einemal aufdröselt, gibt Maja Beckers. Weitere Themen: …

Corona als Pusteblume

Die Corona-Krise beschäftigt uns schon eine ganze Weile. Nach zum Teil drakonischen Maßnahmen scheint das Schlimmste fürs Erste abgewendet. Zeit für eine Verschnaufpause, man kann nachdenken darüber, wie es weiter geht und vielleicht auch besser. Dabei könnte es sich herausstellen, dass den Deutschen wieder einmal ein Hang zur Romantik eigen ist. Offenbar weckt Corona so manche Sehnsüchte. Unser Gastautor Martin Gessmann ist Professor für Kultur- und Techniktheorien und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, und hat ein paar Gedanken zu den farbenfrohen Virus-Darstellungen in den Medien und dam bunten Wünsch-Dir-Was für die Nach-Corona-Welt. Ich bin mir ziemlich sicher: lange wird es nicht mehr dauern, und ein findiger Hersteller bietet die ersten Corona-T-Shirts an. Und ich bin mir genauso sicher: Das wird ein unwiderstehlicher Trend werden. Zuerst wird es zum Zeichen des stillen Protests von jungen Leuten, die sich bislang freitags versammelten, es aber jetzt nicht mehr in der Öffentlichkeit können. Man trägt das Virus jetzt mitten auf dem Bauch und gibt damit ein Zeichen – oder besser noch, trägt ein gutes Bauchgefühl zur …

Das Öde und das Dasein

Die Zeit ist gerade noch unfairer verteilt als sonst. Manche wissen gar nicht wo ihnen der Kopf steht zwischen Homeschooling und Homeoffice. Andere lernen ein oft nur noch peripher bekanntes Gefühl besser kennen: die Langeweile. Dieses kleine Denkstück hilft vielleicht dagegen. Verrät Langeweile etwas darüber, wie wenig Sinn das Dasein hat oder, im Gegenteil, wie viel? Eigentlich haben wir die Langeweile doch abgeschafft, zumindest dort, wo es WLAN gibt. Kleinste Momente von Langeweile – man wartet vielleicht auf den Bus – können heute gefüllt werden mit Bücherlesen, Serienschauen, Podcasts hören oder Freunden schreiben. Und trotzdem holt uns die Langeweile mitunter ein. Vor allem jetzt, da wir viel Zeit zu Hause verbringen und manche plötzlich sehr viel Zeit haben. Man könnte endlich Klassiker lesen, ohne Ende Podcasts hören, Serien schauen, stundenlang zocken oder Nähen lernen, aber trotzdem ist sie da, die Langeweile. Arthur Schopenhauer, einer der ersten westlichen Philosophen, der diesen Zustand ernst nahm und genauer betrachtete, würde das gar nicht so wundern. Denn er glaubte, das Leben pendele zwischen Not und Langeweile. Demnach sind wir …

Die Corona-Kohorte

Junge Menschen vielleicht zwischen 15 und 25 Jahren wurden zu Anfang der Corona-Krise oft kritisch beäugt als eine Gruppe, die sich vergleichsweise sicher fühlt und in der einige lieber Corona-Parties feierten, statt Abstand zu halten. Unser Autor ist Anfang 20 und hat aufgschrieben, was diese Krise für ihn und das Lebensgefühl seiner Generation bedeutet. Wer in den letzten 20 oder 30 Jahren geboren wurde hatte weltgeschichtlich ein relativ langweiliges Leben. Da hilft es auch wenig, dass man in zwei Jahrtausenden gelebt hat. Zum Glück lebt man in der Regel auch nicht für die Weltgeschichte. Den meisten ist es wichtiger, ein gutes Leben führen zu können, Zeit für Freunde zu haben und sich dem widmen zu können, was einem wichtig ist. Manchen liegt viel an guten Abschlüssen und beruflichen Leistungen, andere leben für ihr Hobby. Welchen Weg man geht, das ist nicht immer eine Entscheidung, bei der nur die eigenen Vorstellungen ins Gewicht fallen. Eltern, das Portemonnaie und Normen tun das ihrige. Aber das Leben ist – historisch betrachtet – in höherem Maße eine Frage der …

#Pandemokratie: Was wir sonst tun können

Die Ausgangsbeschränkungen greifen. Sie tun dies aber nicht ohne Einschnitte in den Alltag, die auf Dauer das Zusammenleben strapazieren dürften. Familien auf eingeengtem Raum, stillgelegte Freundschaften und entleerte Freizeitgestaltung – auch wenn das zur Stunde geboten ist, kann es kein Dauerprogramm sein. Deshalb haben wir gefragt, was man neben Händewaschen und Abstand halten noch tun kann, um Corona zu bekämpfen. Egal wie drastisch politische Maßnahmen ausfallen, ihrer Reichweite und Wirksamkeit sind durch die Akzeptanz in der Bevölkerung Grenzen gesetzt. Deshalb brauchen wir eine Kultur, die ein gutes Leben mit Corona fördert. Der wichtigste Imperativ bleibt natürlich: Die Krankheit eindämmen! Eine gute Tat ist deshalb vor allen Dingen eine „saubere“. Anstand zeigen bedeutet Abstand halten. Das Gute in die Welt tragen heißt zu Hause bleiben. Das ist vielen mittlerweile klar, noch ist es aber noch nicht überall angekommen. Anderes hingegen bleibt kontrovers: Handelt man im Dienste des Gemeinwohls, wenn man die Ewig-Trotzigen, die in Gruppen zusammensitzen und Hygieneregeln missachten, zur Rede stellt? Wäre es vielleicht sogar richtig, ihr Fehlverhalten der Polizei zu melden? Was sonst überzogen …