Alle Artikel mit dem Schlagwort: Corona

Virologische Realität

„Wie ein Film“ fühle sich die Corona-Krise an, sagen derzeit viele. Tatsächlich hat sich eine Art „virologische Realität“ vor unsere Augen und damit vor andere Teile unserer Lebensrealität geschoben. Corona hat unser Leben umgekrempelt bis in viele Kleinigkeiten. Alles was man anfassen kann etwa, ist plötzlich unser Feind. Das Virus hat uns zur Hygiene getrimmt, wir drücken Türklinken mit dem Ellenbogen herunter und ermahnen uns, wenn uns beim Einkauf die Hand kurz ins Gesicht fährt. Corona hat die Gestaltung des Alltags zu einer Sache von Hygiene und Abstand gemacht und alles andere an den Rand gedrängt. Der Artikel über den US-Wahlkampf liegt entwertet neben den ganzen Neuigkeiten zu Corona. Bietet er noch irgendetwas, über das zu berichten für unser Leben von Belang wäre? Neben dem um die 200 Nanometer großen Erreger wirkt alles andere belanglos und unwichtig. Die Pandemie hat unsere Aufmerksamkeit eingegrenzt auf die virologische Wirklichkeit, auf Infektionsstatistiken und Strategien zur Kontaktreduktion. Und somit alles andere – beruflichen Erfolg, andere politische Problemfelder, den Freundeskreis wie auch persönliche Pläne – zu Realitäten zweiter Ordnung gemacht. …

Ihre Gedanken zu Corona

Liebe Leserinnen und Leser, Corona geht jeden von uns an, betrifft uns, berührt uns und bringt uns ins Nachdenken. Wir alle haben Gedanken dazu, was diese Krise für uns bedeutet, welche Schlüsse wir daraus ziehen und wie wir danach weitermachen wollen – sowohl persönlich als vielleicht auch gesellschaftlich. Wir würden gerne Ihre Gedanken dazu lesen. Deshalb würden wir uns freuen, wenn Sie uns an info@hoheluft-magazin.de schreiben zur Frage: Was lernen wir aus der Corona-Krise – persönlich oder gesellschaftlich? Ob ein paar Sätze oder ein Essay, wir freuen uns auf Ihre Beiträge und werden die besten veröffentlichen. Bleiben Sie gesund! Ihr Hohe Luft-Team      

Was die Pandemie uns sagt

Der 91-jährige Freiburger Philosoph Rainer Marten, einer der letzten Schüler Martin Heideggers, über die Spaßgesellschaft, die Zufälligkeit des Lebens – und den Sinn der Corona-Krise.   Vor der sich seit Anfang 2020 ausbreitenden Coronavirus-Seuche sind „alle Völker“ gleich. Mit der Zeit wird sie jedes Land auf der Erde heimsuchen. Unter den sehr Alten und Kranken als den Gefährdetsten breitet sich eine abschiedliche Stimmung aus. Lebensgemeinschaften droht der endgültige Weggang des Einen und Anderen. Die Endlichkeit aller menschlichen Dinge bringt sich mit Nachdruck in Erinnerung. Wie anders steht es doch um den Mond! Verlässlich begleitet er mit seinem Zunehmen, seiner Fülle und seinem Abnehmen seit Menschengedenken die Erde und wird es weiterhin tun. Mitte März 2020 steht er am frühmorgendlichen Himmel in Freiburg über dem Sternwald: als Halbmond, ganz weiß, durch den runden Bogen des A als abnehmend gezeichnet. Heute löst er, ganz überraschend, ein Treueerlebnis aus – der Treue zur Erde und zu denen, die ihn mit Augen suchen und finden. Die Seuche berührt ihn nicht, nicht ihre dissoziierende Macht. „Keine sozialen Kontakte!“ Wer jetzt …

Die Corona-Krise – Über die Vereinbarung des Unvereinbaren

Es war schon vorher da, aber so richtig fing es mit einer Konzertabsage an. Am Freitag, dem 13. wurde ein Konzert abgesagt, das ich am Samstag eine Woche später besucht hätte. Samstags drauf hätte ich an einem Literaturfestival gearbeitet. Auch das wurde abgesagt. Am Sonntag habe ich Bücher aus der Bibliothek der Universität Konstanz geholt. Einen Tag später wäre mir das kaum mehr möglich gewesen. Es wurde auf Notbetrieb umgestellt. Ein weiteres Hindernis hätte sich dazwischen gestellt. Als Schweizer Staatsbürger, wohnhaft in Kreuzlingen, hätte ich die Grenze nach Konstanz nicht mehr einfach so passieren können. In allerkürzester Zeit ist eigentlich alles anders geworden. So erging es wohl allen. Wir mussten unser Leben einem Virus anpassen. Dessen unsichtbare Anwesenheit ist überall spürbar. Unsere Lebens- und Gedankenführung haben wir ihm vollständig unterordnen müssen. Folglich ist es sowohl um die Kausalität wie auch um das Kräfteverhältnis eher umgekehrt bestellt: Das Virus hat unser Leben an sich angepasst. Aktuell befindet sich eine doch recht weit vorangeschrittene Gesellschaft in Geiselhaft eines krankmachenden, im schlimmsten Fall tödlichen Virus. Wie konnte das …

Wenn die Zukunft kommt

Ein neues Jahrzehnt ist angebrochen. Wir schreiben das Jahr 2020. Doch niemand begrüßt die – rein optisch – eindrucksvolle Zahlenreihe mit Applaus. Von Euphorie nicht viel zu spüren. Zwar gibt es in Berlin nun ein „Haus der Zukünfte“, das „Futurium“, in dem man visionäre Lebensmodelle entdecken und ausprobieren kann. Doch wer hat schon Bock auf morgen? Im März 2020 wird das Coronavirus zum allesbeherrschenden Thema. Flüchtlingsdrama und Rechtsextremismus müssen warten, wenn Live-Blogs und Soziale Medien von ausverkauftem Toilettenpapier künden. Gerade noch lief das Chaos der Welt durch das adrette Raster des Cyberspace. Gerade noch ergingen sich Feuilletonisten und Podcaster in schlauen Reden über „die neuen Zwanziger“. Alle erwarteten den „Realitätsschock“ (Sascha Lobo) in der virtuellen Zukunft. Prepper stockten Waffen, Vorräten, Schutzkleidung auf, die EU verbarrikadierte ihre Außengrenzen, Trump baute seine Mauer. Man sah Gretas ernstes Kindergesicht, verfolgte die Börse und berechnete Risiken. Aber niemand rechnete mit dem Unerwarteten. Dass ein China entsprungener Virus binnen zwei Monaten die hypermobile Welt, in der zwei Millionen Leute täglich den Flieger nehmen, in eine kollektive Lähmung zwingen würde. Vielleicht …