Alle Artikel in: Kolumne

Na logisch! Das Argument ex silentio

Daniel-Pascal Zorn schreibt in seiner Kolumne »Na logisch!« über Rhetorik, Logik und Argumentationstheorie. Heute: Wer schweigt, stimmt zu – Das Argument ex silentio In aktuellen politischen Debatten ist immer wieder die Rede von einer „schweigenden Mehrheit“. Diese Mehrheit scheint stets, ohne Klage oder Widerspruch, dieselbe Meinung zu vertreten wie derjenige, der sich auf sie beruft. Auch auf die Frage, warum die Mehrheit schweigt, gibt es eine Antwort. Sie schweigt, weil sie sich nicht traut, ihre eigentliche Meinung zu sagen.

Na logisch! Die Ad-nauseam-Argumentation

Kolumne über Logik, Rhetorik und Argumentationstheorie von Daniel-Pascal Zorn. Heute: Reden, bis der Arzt kommt – Die Ad-nauseam-Argumentation Jeder, der schon einmal als Kind eine Abkürzung genommen hat, weiß: Es macht so viel mehr Spaß, mitten durch eine Wiese zu laufen, statt um sie herum. Je mehr Leute der Spur folgen, desto deutlicher wird sie und desto mehr eine Einladung für alle anderen, es ihnen gleichzutun. Manchmal, wenn ein schmaler zu einem breiten Trampelpfad geworden ist, bleibt dem Besitzer nichts anderes übrig, als ihn mit Kies aufzuschütten und damit ‚offiziell‘ zu machen. Das wiederholte Ablaufen immer derselben Strecke etabliert irgendwann eine Spur, die zum Weg wird.

Na logisch! Der Ad-ignorantiam-Fehlschluss

Daniel-Pascal Zorn schreibt in seiner Kolumne Na logisch! über Logik, Rhetorik und Argumentationstheorie. Heute: Der Ad-ignorantiam-Fehlschluss  Es klingt vielleicht auf den ersten Blick unglaubwürdig: Aber manche der hier verhandelten Fehlschlüsse waren verantwortlich für die Entscheidung über die gesellschaftliche Ächtung oder sogar über Leben und Tod vieler Menschen. Zwei Beispiele können das illustrieren:

Na logisch! Selbst-Heroisierung: Die zweite Hauptrolle im Immunisierungs-Drama

Die Na logisch!-Kolumne über Logik, Rhetorik und Argumentationstheorie schreibt normalerweise Daniel-Pascal Zorn. Nach seinem Text über Selbst-Viktimisierung hat die Soziologin Paula-Irene Villa (Braslavsky) einen Gastbeitrag zur Selbst-Heroisierung verfasst. Die Autorin hat den Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie und Gender Studies an der LMU München inne.  Wie in dieser Kolumne und auch anderweitig bereits trefflich analysiert, erfreut sich die rhetorische Strategie der Selbst-Viktimisierung medial und politisch derzeit besonderer Beliebtheit. Sie beinhaltet im Kern, sich ohne Differenzierung und jenseits von Fakten oder nachvollziehbarer Praktiken – letztlich also nicht selten schlicht gelogen – als Opfer einer Übermacht zu inszenieren, der man (meist viel zu lange schon) ausgeliefert sei.

HOHE LUFTpost – Ich kann das, ich darf das, ihr nicht

HOHE LUFTpost vom 03. Juni 2016: Ich kann das, ich darf das, ihr nicht Letzthin hätte ein Autofahrer mich beinah vom Rad geholt. Er telefonierte gerade am Handy. Zahlreiche Studien zeigen, dass der Gebrauch von Mobiltelefonen beim Autofahren die Unfallgefahr deutlich erhöht. Eine Untersuchung amerikanischer Psychologen wirft ein neues Licht auf die Angelegenheit: Eine große Mehrheit der Autofahrer unterstützt ein Verbot von Handys am Lenkrad – und eine große Mehrheit der Autofahrer ist überzeugt, dass sie selbst sicher fahren können, während sie telefonieren. Bei anderen ist es vor allem gefährlich, bei sich selbst ist es vor allem praktisch, man kann noch ein paar Dinge erledigen und die Kontakte zu Freunden pflegen. Das klingt nach systematischer Selbstüberschätzung. Ich glaube jedoch, es steckt etwas anderes dahinter. Bei der Betrachtung unseres eigenen Tuns – nicht nur beim Telefonieren im Auto – sehen wir andere Aspekte im Vordergrund als bei der Betrachtung der Handlungen anderer: den potenziellen Nutzen statt des Risikos. Dieser Asymmetrie sollten wir uns bewusst sein, und nicht vergessen, uns in den richtigen Momenten in die Schuhe unserer …

Na logisch! Die Selbst-Viktimisierung

Kolumne von Daniel-Pascal Zorn über Logik, Rhetorik und Argumentationstheorie. Heute: Die Selbst-Viktimisierung In dieser Kolumne bespreche ich normalerweise argumentationslogische Fehlschlüsse, wie sie in der logischen Tradition bis heute überliefert werden. Dieses Mal möchte ich mich mit einer Strategie beschäftigen, die eine Besonderheit aufweist: Sie basiert zwar auf einem fehlschlüssigen Schema (mehr dazu unten). Aber genau dieses Schema sorgt dafür, dass diese Strategie nur sehr selten als problematisch erscheint. Sie wird dadurch zu einer der gebräuchlichsten Weisen, sich mit einem Fehlschluss ins Recht zu setzen – jeder von uns hat sie schon einmal, in der einen oder anderen Weise, angewendet.

Die Luxusphilosophen

»Schöne Gedanken« von Tobias Hürter Ein neuer Trend hat die Pariser Luxusindustrie erfasst: eine neue Nachdenklichkeit. Laut der Zeitung »Le Monde« lassen Unternehmen wie Hermès, Chanel, Guerlain und Yves Saint Laurent neuerdings Philosophen für sich arbeiten. So hat Hermès nun einen vollamtlichen Hausphilosophen mit der Aufgabe, »Sinn zu formulieren, zu artikulieren, in Perspektive zu setzen, bewusstzumachen«. Der bekannte französische Philosoph Gilles Lipovetsky, der gleich mehrere große Häuser berät, verspricht, »wieder Abstand zu schaffen, eine aristokratische, extrem abstrakte Sprache zu verwenden, die justament am Luxus des Denkens teilhat«. Kommt nun eine neue Generation von Produkten auf uns zu – gedankliche Tiefe statt Oberflächlichkeit? Oder sind die Philosophen nur bessere Kommunikationsberater mit gelehrtem Anstrich? Ich bin gespannt.

Na logisch! Der assoziative Fehlschluss

Kolumne über Logik, Argumentation und Rhetorik von Daniel-Pascal Zorn. Dieses Mal: Der assoziative Fehlschluss Die Welt um uns herum ist komplex. Wir haben jeden Tag Bürogespräche mit Kollegen, Familiengespräche am Küchentisch und Kneipengespräche mit den Kumpels am Abend. Wir erfahren aus den Medien jeden Tag von politischen Entscheidungen und gesellschaftlichen Ereignissen, von Hochzeiten und Todesfällen, historischen Begebenheiten und aktuellen Sensationen – Unfällen, Anschlägen, Demonstrationen und Presseerklärungen. ‚Die Medien‘ – das ist die Tagesschau, die BILD-Zeitung, Twitter, ‚alternative‘ Nachrichtenportale im World Wide Web; das ist Facebook, das Radio, die Zeitung und YouTube.

HOHE LUFTpost – Star Trek und Philosophie

HOHE LUFTpost vom 06. Mai 2016: Star Trek und Philosophie Vor 50 Jahren wurde in den USA die erste Folge der Science-Fiction-Serie »Raumschiff Enterprise« ausgestrahlt. Obwohl meine Eltern nicht immer begeistert waren, wenn ich mir die Abenteuer von Captain Kirk & Co. anschauen wollte, gehörten sie zu den wichtigsten Fernseh-Erlebnissen meiner Kindheit. Heute weiß ich, dass diese Geschichten zutiefst philosophisch sind. Ist ein Mensch, der beim Beamen komplett zerstört und an einem anderen Ort Atom für Atom wieder zusammengebaut wird, noch derselbe Mensch? Führen Zeitreisen in logische Paradoxien? Wie weit kommt man mit purer Logik à la Commander Spock überhaupt? Können Maschinen denken? Das sind Fragen, über die Philosophen intensiv grübeln, und über die auch ich damals nachdachte, ohne das Wort »Philosophie« zu kennen. Ich bin auch nicht immer begeistert, wenn meine Kinder fernsehen wollen. Aber Star Trek dürfen sie sich anschauen. – Tobias Hürter

Das Schöne darf glatt sein

Kolumne »Schöne Gedanken« Er ist ein Star der deutschen Denkerszene: der Berliner Philosoph Byung-Chul Han. Seine Spezialität ist die Provokation. Mit seinen Büchern will er, das ist sein erklärtes Ziel, seine Leser wachrütteln, und er schreibt nicht für seine gelehrten Kollegen, sondern wendet sich an uns alle. In seinem neuen Werk »Die Errettung des Schönen« will er unseren Sinn fürs Schöne kurieren, der, wie er überzeugt ist, gründlich verdorben ist. »Warum finden wir heute das Glatte schön?«, fragt er. »Das Glatte ist die Signatur der Gegenwart. Es verbindet Skulpturen von Jeff Koons, iPhone und Brazilian Waxing miteinander. Über die ästhetische Wirkung hinaus spiegelt es einen allgemeinen gesellschaftlichen Imperativ wider. Es verkörpert nämlich die heutige Positivgesellschaft. Das Glatte verletzt nicht. Von ihm geht auch kein Widerstand aus. Es herrscht Like. Der glatte Gegenstand tilgt sein Gegen. Jede Negativität wird beseitigt.« Alles wolle nur noch gefallen, aber nicht mehr wirklich schön sein. Es fehlten das »Doppelbödige«, die »Innerlichkeit«, die »Rückseiten«, beklagt Han. Leben wir wirklich in einer armseligen Zeit, in der das Schöne nur noch Oberfläche ist? Ich …