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Na logisch! Der assoziative Fehlschluss

Kolumne über Logik, Argumentation und Rhetorik von Daniel-Pascal Zorn. Dieses Mal: Der assoziative Fehlschluss

Die Welt um uns herum ist komplex. Wir haben jeden Tag Bürogespräche mit Kollegen, Familiengespräche am Küchentisch und Kneipengespräche mit den Kumpels am Abend. Wir erfahren aus den Medien jeden Tag von politischen Entscheidungen und gesellschaftlichen Ereignissen, von Hochzeiten und Todesfällen, historischen Begebenheiten und aktuellen Sensationen – Unfällen, Anschlägen, Demonstrationen und Presseerklärungen. ‚Die Medien‘ – das ist die Tagesschau, die BILD-Zeitung, Twitter, ‚alternative‘ Nachrichtenportale im World Wide Web; das ist Facebook, das Radio, die Zeitung und YouTube.

Kurz: Wir werden jeden Tag mit Unmengen von Informationen bombardiert. Und gleichzeitig stellen andere und stellen wir selbst Ansprüche an uns, dass all das für uns Sinn ergeben soll. Für die Bereiche, mit denen wir tagtäglich umgehen, ist das kein Problem – wir verstehen, wie die entsprechenden Sachverhalte zusammenhängen. Sobald wir aber die angenommenen Sinnzusammenhänge nicht mehr direkt überprüfen können, geraten wir schnell ins Schleudern.

Der einfachste Weg, die Komplexität zu reduzieren, besteht darin, die Sachverhalte miteinander in Verbindung zu bringen. Wenn sie eine gemeinsame Hinsicht teilen, so unsere Annahme, dann müssen sie auch miteinander zu tun haben. Gerade bei Ereignissen, die weltweit berichtet werden, entstehen durch solche Schlussfolgerungen bekannte Verschwörungstheorien: Wenn ein Gebäude einstürzt und vorher eine bestimmte Gruppe von Menschen dieses Gebäude verlassen hat, dann müssen diese Menschen gewarnt worden sein. Wenn die Queen die Beziehung zwischen Prinzessin Diana und dem Geschäftsmann Dodi Al-Fayed gerüchteweise nicht gut geheißen hat und die beiden einen grausamen Unfalltod in einem Pariser Tunnel sterben, muss der Geheimdienst seine Finger im Spiel gehabt haben. Wenn es im Dritten Reich Juden gab, die mit den Nazis kollaboriert haben, dann ist an der Geschichte von der jüdischen Weltverschwörung bestimmt etwas dran. Wenn dieselben Politiker die Grenzen für Flüchtlinge öffnen und zugleich eine bestimmte politische Sichtweise ablehnen, dann kann der Grund nur darin liegen, dass sie sich gegen die Ziele dieser politischen Sichtweise verschworen haben und einen Austausch der Bevölkerung vornehmen.

Wer solche Theorien formuliert, der schließt von Assoziation oder Korrelation (Verbindung, gemeinsamer Hinsicht) auf Kausalität und begeht damit einen assoziativen Fehlschluss. Dieser Fehlschluss kann einmal Sachverhalte betreffen, die miteinander auftreten – dann spricht man von einem Fehlschluss ‚cum hoc (mit diesem) ergo propter hoc (also deswegen)‘. Weil zwei Sachverhalte zur gleichen Zeit auftreten, schließt man von dieser Gleichzeitigkeit auf eine gemeinsame Ursache. Aus der Gleichzeitigkeit im Sinne von ‚x und y‘ wird der kausale Sinn von ‚Wenn x, dann y‘. Natürlich spricht nichts dagegen, eine Hypothese darüber aufzustellen, das zwei gleichzeitige Sachverhalte auch kausal miteinander zu tun haben. Diesen zentralen Schritt überspringen assoziative Theoretiker aber stets – denn eine einmal so etablierte Ursache lockt mit der falschen Evidenz des Bestätigungsfehlers.

Heiliger Baum gefällt? Der Blitz schlägt ins Haus ein und brennt alles nieder.

Weil Kausalverhältnisse von Ursachen und Wirkungen in den allermeisten Fällen aber nacheinander auftreten, gibt es von dieser Form des assoziativen Fehlschlusses noch eine zweite Version. Sie taucht vor allem in antiken Mythen und im Volksaberglauben von der Antike bis in die Neuzeit auf. Begeht jemand eine verwerfliche Tat und wird kurz darauf krank, so glaubten die Menschen, er würde für seine Tat bestraft werden. Heiliger Baum gefällt? Der Blitz schlägt ins Haus ein und brennt alles nieder. Aus dem Tempel geklaut? Die beiden Söhne sterben auf dem Schlachtfeld. Dieser Fehlschluss heißt entsprechend ‚post hoc (nach diesem), ergo propter hoc (also deswegen)‘. Hier wird der zeitliche Sinn von ‚Erst x, dann y‘ zum kausalen Sinn von ‚Wenn x, dann y‘.

Wir kennen assoziative Fehlschlüsse aus unserem Alltag: Wir ziehen in eine neue Wohnung. Kurz darauf funktioniert die Heizung nicht mehr. Der Vermieter teilt uns mit: „Es ist schon seltsam – seitdem Sie hier wohnen, gehen hier die Sachen kaputt.“ Oder: Wir beobachten die Nachbarin, wie sie ihr Haus betritt. Wenige Minuten später betritt ein junger Mann dasselbe Haus. Haben die beiden eine Affäre?

Solche Kurzschlüsse unterlaufen allerdings nicht nur im Alltag. In einem aktuellen Artikel der NZZ verknüpft die Autorin anhand der Bartmode junger Männer in abenteuerlichen Sprüngen verschiedenste Themenbereiche miteinander. Weil Vollbart gerade ‚in‘ ist (auch der Autor dieser Zeilen trägt einen) und weil aber auch Migranten und Flüchtlinge, sowie strenggläubige Moslems, oft einen Vollbart haben, schließt die Autorin: „Die Bartmode […] soll zeigen, dass Fremdenfeindlichkeit kein Wesenszug des Deutschen ist, dass fremde Gebräuche durchaus verstanden und anerkannt werden.“ Damit werde die „Anpassung an das fremde Aussehen […] eine Verleugnung der eigenen fatalen Vergangenheit.“ So wird aus dem Vollbart wahlweise eine Anpassung an das Fremde, ein politisches Signal, eine Praxis der Integration, eine Verleugnung der eigenen Vergangenheit, ein Nachahmen von erotischen Signalen. Bei einem Gedicht würde man sagen ‚Reim Dich oder ich fress‘ Dich!‘ Hier müsste man entgegnen: ‚Nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich.‘

Das gilt auch für zwei Abkömmlinge der assoziativen Fehlschlüsse ‚cum‘ bzw. ‚post hoc, ergo propter hoc‘. Der assoziative Fehlschluss unterstellt hier stets eine Kausalität, obwohl nur eine Assoziation oder Korrelation gegeben ist. Statt auf eine Ursache kann man aber auch assoziativ auf einen Urheber rückschließen. Das dafür meistangewendete Schema stammt ursprünglich aus der Kriminalistik und diente dazu, aus einer bereits anderweitig bestimmten Gruppe diejenigen Tatverdächtigen zu markieren, die wegen einem Motiv unter besonderem Tatverdacht standen. Natürlich war damit kein Nachweis verbunden; die entsprechende Markierung diente vor allem dazu, bestimmte Hypothesen, zum Beispiel vor Gericht, plausibel zu machen. Man fragte also: ‚Wem nützt (die Tat)?‘, auf Latein: ‚Cui bono?‘

„Du bist Vegetarier? Hitler war Vegetarier!“

Der ‚Cui bono‘-Fehlschluss missversteht die plausibilisierende Funktion der Frage – und macht daraus einen Nachweis für Kausalität. Er gibt als Urheber oder Verursacher eines Sachverhalts denjenigen an, dem der Sachverhalt nützt. Weil meistens der Nachteil des Einen der Vorteil des Anderen ist, ergibt sich ein beliebiges Feld, in dem man vermeintliche Hauptakteure verorten kann, die zugleich – weil ja nur ihr Nutzen indirekt auf sie verweist – im Geheimen operieren. Die Flüchtlingskrise? Nützt den USA, weil Europa geschwächt wird. Die Ukrainekrise? Nützt dem Machtstreben Russlands. Wer immer wieder ‚Cui bono?‘ fragt und die Antwort darauf mit einem Beweis verwechselt, der driftet in einem assoziativen Strudel immer weiter in ein geschlossenes Weltbild hinein. Das ändert nichts an der Nützlichkeit der Frage selbst. Aber man muss die Grenzen dieser Nützlichkeit erkennen, damit die Frage wirklich nützlich ist.

Ebenfalls beliebt ist der assoziative Fehlschluss, den Autor einer bestimmten Aussage mit jemanden in Verbindung zu bringen, der diese Aussage ebenfalls gemacht oder sie zustimmend wahrgenommen hat. Dieser Fehlschluss heißt ‚Guilt per association‘, also etwa ‚Schuld durch Assoziation‘. Ein ironisches Beispiel für diesen Fehlschluss ist das auf die Spitze getriebene Argument ad hitlerum: „Du bist Vegetarier? Hitler war Vegetarier!“ Der Fehlschluss ‚guilt per association‘ wird entsprechend oft zur Denunziation unliebsamer Meinungen genutzt. Sätze wie „Was Du gesagt hast, das hat auch Stalin gesagt“ oder „Deine Sichtweise wurde von Nazis beklatscht“ sollen suggerieren, dass der Autor den genannten Personen ideologisch nahesteht – warum hätten die sich sonst so gefreut bzw. dasselbe gesagt? Der Fehlschluss ‚guilt per association‘ versucht also, die unliebsame Bewertung durch bloße Assoziation auf einen bestimmten Text zu übertragen.

Assoziative Fehlschlüsse lassen sich nur verhindern, wenn der in ihnen arbeitende Vergleich nicht als Ergebnis, sondern als Fragestellung verstanden wird. Manchmal bekommen wir allerdings keine Antwort auf unsere Fragen. Diese Spannung auszuhalten fällt schwer – umso schwerer fällt es aber, aus einem assoziativen Zirkel auszusteigen. Man sollte sich also gut überlegen, welchen Brotkrumen man folgt. Es könnte sein, dass man aus dem Lebkuchenhaus am Ende nicht mehr herausfindet.

 

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