Alle Artikel in: Wissenschaft

HOHE LUFTpost – Warum Einstimmigkeit fast immer falsch ist

HOHE LUFTpost ist zurück aus der Winterpause! Heute: Warum Einstimmigkeit fast immer falsch ist (22.01.16) Willkommen im neuen Jahr! Beginnen wir es mit einer kontroversiellen Einsicht: Wenn zu viele Menschen einer Meinung sind, dann ist was faul! Ein Team australischer und französischer Forscher hat diese These nun auf überraschende Weise bestätigt: Sie ahmten den klassischen Test von Augenzeugen zur Identifizierung von Tatverdächtigen nach, mischten den Verdächtigen also in eine Reihe von unbeteiligten Komparsen, aus denen die Zeugen ihn rauspicken sollten. Waren sich die ersten drei Zeugen einig, so stieg die Wahrscheinlichkeit, dass sie richtig lagen. Dann aber sank die Wahrscheinlichkeit mit jedem Zeugen, der mit den vorigen übereinstimmte – bis sie ganz auf Zufallswahrscheinlichkeit herabgesunken war! Zu viel Einigkeit ist also verdächtig. Ein eindrucksvolles Argument für eine offene Gesellschaft, und für einen guten Vorsatz für dieses Jahr: Mehr Widerspruch! – Tobias Hürter

Na logisch! Der mereologische Fehlschluss

Logik-Kolumne von Daniel-Pascal Zorn. Heute: Der mereologische Fehlschluss Vor etwas mehr als zehn Jahren brachten einige Neurowissenschaftler die Fachwelt mit der Aussage zum Staunen, dass alles, was man bis dato dem ‚Menschen‘, dem ‚Subjekt‘ oder dem ‚Geist‘ zuzurechnen gewohnt war, eigentlich vom ‚Gehirn‘ als Akteur durchgeführt wurde. Es sei das Gehirn, das nachts um zehn noch ein Bier bestellt oder das sich an der bunten Vielfalt einer Blumenwiese erfreut. Das Gehirn würde handeln, wahrnehmen, fühlen, entscheiden – und manches davon sogar ohne unser Wissen.

Die Schöne und das Biest

Kolumne: Schöne Gedanken Eine wunderschöne Frau lernt einen unansehnlichen Mann kennen – und trotz seines Äußeren wegen seines schönen Wesens schließlich auch lieben. Das ist die Geschichte von »der Schönen und dem Biest« – und man wünscht sich, dass es auch in Wirklichkeit so laufen könnte. Amerikanische Psychologen haben nun festgestellt, dass es gar nicht selten tatsächlich so läuft. In einer Studie untersuchten sie 167 heterosexuelle Paare darauf, wie lange sie sich kannten, bevor sie zusammenkamen, und wie stark sie sich in ihrer physischen Attraktivität unterscheiden. Ergebnis: Je größer der Unterschied in der Attraktivität, desto länger ist die »Vorlaufphase« eines Paares. Es gibt sie also, die Liebe auf den zweiten Blick. Aber sie braucht ihre Zeit. – Tobias Hürter

J’accuse – Eine Antwort auf Vittorio Klostermann

Der US-Ideenhistoriker Richard Wolin zählt zu den weltweit führenden Heidegger-Forschern. Nachdem er sich im März in einem Interview mit HOHE LUFT kritisch über die Heidegger-Gesamtausgabe äußerte, nahm der Verleger Vittorio Klostermann dazu Stellung und verteidigte die Ausgabe als »verlässlich«. Hier antwortet nun Wolin abermals auf Klostermann und nennt die Heidegger-Gesamtausgabe einen »Wissenschaftsskandal«. 

Na logisch! Der dogmatische Fehlschluss

Der dogmatische Fehlschluss Na logisch! Folge 2 der Logik-Kolumne von Daniel-Pascal Zorn.  Wer schon einmal versucht hat, mit jemandem zu diskutieren, der davon überzeugt ist, von Vorneherein recht zu haben, der weiß, wie frustrierend das sein kann: Jedes unserer Gegenargumente wird mit dem Hinweis auf eine Annahme zurückgewiesen, die unser Gegenüber schon als richtig anerkannt hat. Entsprechend enden solche Diskussionen oft auch eher unschön: weil wir uns aus der Sicht des ‚Rechthabers‘ weigern, seine richtige Position anzuerkennen, gelten wir schnell als ‚verblendet‘ oder irrational.

Die Freiheit zum Irren, mit Heidegger

Der französische Semiotiker François Rastier über die Schrift »Irrnisfuge« des Philosophen Peter Trawny, Mitherausgeber der Heidegger-Gesamtausgabe und maßgeblich beteiligt an der Diskussion um Heideggers Antisemitismus in seinen »Schwarzen Heften«. Rastiers neues Buch »Naufrage d’un prophete« ist vor Kurzem erschienen und befasst sich mit heutiger Heidegger-Rezeption radikaler Theoretiker aus dem linken und rechten Spektrum. 

HOHE LUFTpost – Künstliche Intelligenz – und Weisheit

HOHE LUFTpost vom 23.10.15: Künstliche Intelligenz – und Weisheit Kinder übertreffen irgendwann ihre Eltern, und Computer ihre Erbauer – und dieser Moment scheint nah zu sein. In einem Ausmaß, das noch vor ein paar Jahren unvorstellbar war, übertrifft künstliche Intelligenz die menschliche. Längst nicht nur beim Schachspielen und Autofahren: Jetzt haben MIT-Forscher eine »Data Science Machine« entwickelt, die versteckte Muster in großen Datenmengen findet, besser als die besten menschlichen Spezialisten. Und wann kommt die künstliche Philosophie? Das dürfte noch eine Weile dauern. Schon Aristoteles stellte klar, dass Philosophie die Liebe zu sophia (Weisheit) ist, nicht zu episteme (Know-what) oder techne (Know-how). Weisheit ist mehr als Wissen. Man könnte sie in erster Näherung als »Wissen, um gut zu leben« charakterisieren. Sie umfasst deklaratives, performatives und ethisches Wissen. Philosophie schwebt also nicht über dem Wissen, das Wissenschaft, Technik und künstliche Intelligenz liefern, aber sie verbindet es mit geistigen Dimensionen, die darüber hinausgehen. Was macht einen weisen Menschen aus? Nicht so einfach zu sagen. Neben Wissen auch Erfahrung, ethische Intuition und »der große Blick«. Philosophische Computer? Unvorstellbar. Aus heutiger Sicht. – …

Eine verlässliche Ausgabe und ein unredlicher Angriff – Vittorio E. Klostermann über die Heidegger-Gesamtausgabe

Der Verleger der Heidegger-Gesamtausgabe Vittorio E. Klostermann antwortet auf ein HOHE LUFT-Interview mit Richard Wolin, das im März veröffentlicht wurde. Die Vorwürfe Wolins gegenüber der Arbeit des Verlages seien nicht haltbar und kompromittierend, so Klostermann.  Richard Wolin, der US-amerikanische Ideenhistoriker, erhebt in einem in Hohe Luft abgedruckten Interview (Heft 3-2015) schwere Vorwürfe: „Seit Jahrzehnten wissen wir, dass es Probleme mit der Gesamtausgabe und der Publikationsgeschichte von Heideggers Werk gibt. Das ist ein Skandal. Eben gab es einen Artikel in der Zeit „Was heisst ‚N. Soz.?‚“ von Adam Soboczynski, der die Verbreitung und Ausmaß dieser Probleme bestätigt. Es gibt viele kompromittierende Passagen aus seinen Vorlesungen, die man einfach weggelassen hat. Und diese Probleme gibt es noch immer. Zum Beispiel ist der wichtige Briefwechsel mit seinem Bruder Fritz für die Forscher gesperrt. Und das Problem wird immer schlimmer, solange der Heidegger-Nachlass nicht völlig für die Forschung freigegeben ist.“