Alle Artikel mit dem Schlagwort: Flüchtlingskrise

HOHE LUFTpost – Grenzen trennen – und verbinden

HOHE LUFTpost vom 04.03.2016: Grenzen trennen – und verbinden Grenzen haben etwas Trennendes und etwas Verbindendes. An ihnen berühren sich zwei Dinge, und an ihnen unterscheiden sie sich. Der Grenzübergang am Brenner hat für jene Menschen, die nördlich davon leben, eine besondere Bedeutung. Er ist ihr Tor zur Sonne, zur Kultur und Lebensart, nach der sie sich manchmal sehnen. Bisher war dort eine offene Grenze: eine Grenze, die verbindet. Nun, im Zuge der Flüchtlingskrise, hat die österreichische Regierung angekündigt, den Brenner »dichtzumachen«. Es soll strenge Personenkontrollen geben. Sogar Zäune sind im Gespräch. Das ist nicht nur etwas, das an der Grenze geschieht – es verändert die Grenze in ihrem Wesen. Aus der verbindenden Grenze wird wieder eine trennende. Was für ein Rückschritt. – Tobias Hürter

HOHE LUFTpost – Weder »Transit« noch »Zone«

HOHE LUFTpost vom 13.11.2015: Weder »Transit« noch »Zone« Ein Unwort geistert durch die Debatten um die Flüchtlingskrise: »Transitzonen«. Manche Politiker wollen sie an den Grenzen einrichten, um den Zustrom von Flüchtlingen einzuschränken. In der Sprachwissenschaft gibt es den Grundsatz der Arbitrarität des Zeichens: Der Zusammenhang zwischen Zeichen und Bezeichnetem ist pure Konvention, sonst haben beide nichts miteinander zu tun. Aber natürlich ist es nicht egal, wie man etwas bezeichnet. Die Bezeichnung eines Dings sagt oft etwas über das Ding aus, und diese Aussage kann richtig oder falsch sein. Eine Transitzone wäre ein Bereich, der möglichst glatt zu passieren ist. »Transit« kommt vom lateinischen Verb für hinübergehen oder hindurchgehen. Eine Transitzone soll aber gerade verhindern, dass Flüchtlinge die Grenze überqueren. In den seit Jahren eingerichteten »Transitzonen« an Flughäfen werden Asylsuchende in Gefängnissen interniert. Auch »Zone« ist daher ein in diesem Zusammenhang zumindest irreführend unspezifischer Ausdruck. »Transitzonen« sind keine Transitzonen. – Tobias Hürter

Gefühle? Gewissen!

Von Tobias Hürter Wenn den Berichten und Kommentaren glauben kann, dann ist Deutschland derzeit im emotionalen Ausnahmezustand. Deutschland sei ein »Hippiestaat, der sich nur von seinen Gefühlen leiten lässt«, sagt der englische Politologe Anthony Glees. »Wir erleben in Echtzeit, wie sich die Gefühle eines ganzen Landes synchronisieren«, schreibt der »Zeit«-Wissenschaftsredakteur Ulrich Schnabel. Gemeint sind natürlich die bewegenden Szenen, die sich am Münchner Hauptbahnhof und anderswo abspielen. Deutsche umarmen ankommende Flüchtlinge. Hilfsorganisationen werden überschwemmt von Spenden. Allerdings bezweifle ich, dass man diesen Berichten und Kommentaren wirklich glauben kann. Deutschland wird nicht von seinen Gefühlen geleitet. Sondern vom Gewissen. Das ist ein wesentlicher Unterschied – und gut so.

Was ist Flucht? Von der Realität und Aggression der Bilder

In diesen Tagen scheint es nur ein einziges Thema zu geben: Flucht. Es vergeht kein Tag, an dem uns die Medien nicht über die Schicksale unzähliger Unbekannter informieren, Menschen aus Syrien, Eriträa oder dem Kosovo, die zu Tausenden Zugang zum sicheren Europa suchen. Wir hören und lesen nicht nur, was derzeit passiert – wir sehen es auch. Welchen Stellenwert hat das, was wir da sehen? Müssen wir uns damit konfrontieren oder dürfen wir einfach wegschauen? Wie sollen wir mit der Bilderflut umgehen? Fotos von Flucht und Flüchtlingen sind zur Zeit allgegenwärtig. Man sieht Menschen auf Schlauchbooten, in Bahnhöfen und Zügen, in Auffanglagern, an Grenzzäunen. Die Fotos bewegen und rühren uns, sie machen uns betroffen. Aber sie tun noch mehr. Sie bannen uns. Sie üben auf eigentümliche Weise Gewalt auf uns aus. Nehmen wir das umstrittene Foto der toten Flüchtlinge, die kürzlich in einem abgestellten Laster in der Nähe von Wien gefunden wurden. Die Wiener „Kronen-Zeitung“ hatte das Foto veröffentlicht, und danach auch „Bild“. Das Foto zeigt einen Blick ins Innere des LKWs; auf der Ladefläche …