Es flattert etwas durch die Luft…
Text: Lena Frings
… es sind Haarsträhnen. Unter Lebensgefahr laufen Frauen (und Männer) gerade über die Straßen iranischer Städte, klettern auf Container, halten Bilder von Jîna Mahsa Amini in die Luft, ziehen ihre Hijabs vom Kopf und rufen: „Zan, Zendegi, Azadi!“
Vielleicht geht es Ihnen wie mir und diese Bilder und Worte lösen eine Gänsehaut bei Ihnen aus. Vielleicht fragen auch Sie sich, wo diese Frauen den Mut hernehmen. Die Journalistin Gilda Sahebi zitiert die Slogans der Protestierenden und dadurch wird mir etwas klarer. „Wenn wir nicht alle gemeinsam sind, dann zerstückeln sie uns einer nach dem anderen“, sollen Menschen während der Proteste rufen. Und das trifft wohl eine bittere Wahrheit.
Die Philosophin Hannah Arendt (1906 – 1975) setzt sich in ihrem Essay „Macht und Gewalt“ mit den gleichnamigen Phänomenen auseinander. Dort heißt es: „Über Macht verfügt niemals ein Einzelner; sie ist im Besitz einer Gruppe und bleibt nur solange existent, als die Gruppe zusammenhält.“ Tatsächlich protestieren gerade im Iran alle gemeinsam. Da sind Ölarbeiter, Schülerinnen, Kurd:innen, Frauen und Männer und Menschen aller Altersklassen und sozialer Schichten auf den Straßen. Nur weil sie zusammenhalten, sind sie mächtig.
Gewalt ist hingegen laut Arendt ein Gegensatz von Macht. Gewalt hat einen instrumentellen Charakter und tritt dort „auf den Plan, wo Macht in Gefahr ist“. Das lässt sich derzeit bei den Reaktionen und dem immer brutaler werdenden Vorgehen des Mullah-Regimes beobachten. Umso wichtiger ist es, dass Menschen zusammenstehen und auch wir Journalist:innen, Philosoph:innen und Schriftsteller:innen berichten.
Was an Arendts Analyse Mut machen kann: „Gewalt kann Macht vernichten; sie ist gänzlich außerstande, Macht zu erzeugen.“ Ein Regime, was nur auf Gewalt aufbaut, wird sich langfristig nicht an der Macht halten können – wenn alle zusammenhalten.
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