Alle Artikel mit dem Schlagwort: Sexismus

Krankenschwestern der Nation

Ich bin wütend. Ich kann es mir leisten. Ich habe Zeit dazu. Anders als die meisten meiner Freundinnen kann ich mich voll und ganz auf meine Videokonferenzen konzentrieren… und zwischendurch über den Grund meiner Wut nachdenken. Ich muss nicht überlegen, was ich noch alles tun muss, eigentlich schon längst hätte erledigen sollen. Waschen, Putzen, Kochen, Schleppen, Hausaufgabenbetreuen, Streitschlichten. Ich bin nicht verheiratet und habe keine Kinder. Ich habe Zeit. Also artikuliere ich meine Wut stellvertretend für die vielen Frauen, die es nicht können. Weil sie noch die Wäsche machen müssen. Und die Mathe-Hausaufgaben. Und noch schnell zum Supermarkt und in die Drogerie. Weil ihr Mann noch zoomen und früh schlafen gehen muss. Weil er mehr verdient als sie. Corona wird die Frauenbewegung um drei Jahrzehnte zurückwerfen, prophezeit die Soziologin Jutta Allmendinger. Ich glaube, es ist noch schlimmer. Wir befinden uns wieder in den frühen 60er Jahren. Ein Indiz hierfür ist die Aktualität einer alten Hollywoodkomödie mit Doris Day: Was diese Frau so alles treibt (1963). Protagonistin Beverly Boyer ist blond, mit einem Frauenarzt verheiratet, ein …

Die Macht der Körper

Der Feminismus ist präsent wie nie – auf dem Buchmarkt, in der Mode und in den sozialen Medien, und er wird zugleich heftig kritisiert. Zeit für eine Bestandsaufnahme, nicht der Geschlechtergerechtigkeit, sondern des Kampfes dafür. Wie steht es um den modernen Feminismus? Vor ein paar Monaten feierte »Sex and the City« Geburtstag: Zwanzig Jahre ist es her, dass die Serie zum ersten Mal im Fernsehen lief und in Folge zum Mega-Hit und kulturellen Fixpunkt mehrerer Generationen junger Frauen wurde, die die Serie auch für ihren Feminismus feierten. Schließlich dreht sie sich um vier New Yorker Freundinnen, allesamt: erfolgreich im Job, finanziell unabhängig, sexuell selbstbewusst und mit zahlreichen Affären beschäftigt, über die sie auch offen diskutieren. In einer Interview-Reihe des »Guardian« über die Serie schwärmte ein Fan: »Endlich konnte man über Vibratoren sprechen.« Das war 2003. Doch als jetzt, anlässlich des Jubi­läums, zurückgeschaut wurde, waren viele Frauen – nicht selten die gleichen, die in der Serie damals eine Befreiung sahen – irritiert. Vielen erscheint sie nun gar nicht mehr so feministisch. Sie stören sich daran, dass …

Normal sein – warum eigentlich? Ausgabe 3/2018

Es ist paradox: Wir möchten normal sein und doch einzigartig. Als durchschnittlich wollen wir nicht gelten, aber auch nicht ständig anecken. Doch was ist heute überhaupt normal? In der neuen Ausgabe HOHE LUFT fragen wir nach der Bedeutung von Normalität und ihrer Rolle in unserem Leben. Weitere Themen: Das Ende der Rechts-Links-Unterscheidung? Die Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal über Wege aus dem Sexismus. Was es heißt, einen Menschen zu verstehen. Über das Warten. Philosophie der Midlife-Crisis. Kreativität im digitalen Zeitalter. Was sagt uns die Stille? Und: »Der Mensch ist nie allein« – wir trafen den Freiburger Philosophen Rainer Marten zum Interview über das Verhältnis von Denken und Leben. Wir wünschen Ihnen viel Freude mit dem neuen Heft! Hier können Sie das Heft und ältere Ausgaben versandkostenfrei bestellen.  Sie haben Lob, Kritik oder Anmerkungen? Schreiben Sie uns unter: kontakt(at)hoheluft-magazin.de

Sex sells – nicht immer

Tobias Hürter macht sich in seiner Kolumne »Schöne Gedanken«. Dieses Mal zur Wirkung von objektifizierender Werbung Eine schöne Frau, mit Sinnlichkeit in Szene gesetzt: Würde dieses Rezept nicht funktionieren, dann würde ihm nicht ein großer Teil der Werbung folgen. Es funktioniert allerdings nicht immer. Vor allem dann, wenn der Eindruck entsteht, dass Frauen zu dekorativen Accessoires degradiert werden. Wie die Wirkung kippen kann, zeigt eine Studie aus Italien, erschienen im Fachmagazin „Sex Roles“, durchgeführt von der Psychologin Francesca Guizzo von der Universität Padua. Sie und ihre Kolleginnen untersuchten die Reaktionen von Männern und Frauen auf einen Fernsehclip, in dem Frauen sexuell objektifiziert werden. Es zeigte sich, dass diese Reaktionen stark vom Kontext des Clips abhängen. Wird er von einem kritischen Kommentar begleitet, dann weckt er vor allem bei weiblichen Betrachterinnen einen starken Unmut gegen die Benachteiligung von Frauen in der Gesellschaft und den Medien. Langfristig allerdings verzeichnete Guizzo einen noch bedenklicheren Effekt: Menschen, die gewohnheitsmäßig sexuell objektifizierenden Darstellungen ausgesetzt sind, stumpfen ab. Ihr Widerspruchsgeist verblasst. Sie akzeptieren stereotype Geschlechterrollen. Gute Gründe also, das Werbemittel Sex …