Es liegt etwas in der Luft…
Text: Lena Frings
… es ist die Frage nach der Wirkmacht des Denkens. Ich habe mich selbst dabei ertappt: Bomben fallen, Klimaziele werden nicht erreicht – angesichts der Katastrophen mangelt es nicht an intellektuellen Gedanken, so redet meine innere Ungeduld, sondern an schlauen Taten. Doch eigentlich weiß ich natürlich, dass das eine das andere bedingt. Intellektuelle reflektieren nicht nur das Zeitgeschehen. Sie prägen es auch. Und das leider nicht immer zum Guten. Das Denken kann sehr erfindungsreich sein und die absurdesten oder grausamsten Dinge politisch zu rechtfertigen versuchen. Xi Jinping braucht seine Ideologie für die „Umerziehungslager“ der Uiguren, Putin die seine für einen grausamen Krieg. Er beruft sich dabei auf Alexander Dugin (siehe unten). Die Philosophin Hannah Arendt (1906 – 1975) hat dieses Elend in ihrem Interview mit Günter Gaus einmal treffend auf den Punkt gebracht: „Zu Hitler fiel [den Intellektuellen] etwas ein. Zum Teil ungeheuer interessante Dinge. Ganz fantastische und komplizierte und hoch über dem Gewöhnlichen schwende Dinge. Das habe ich als grotesk empfunden. Sie gingen ihren eigenen Einfällen in die Falle.“
Karl Popper (1902 – 1994) sah die Chose ähnlich düster: „Der Massenmord im Namen einer Idee, einer Lehre, einer Theorie, einer Religion – das ist unser Werk. Die Erfindung von Intellektuellen.“ Heißt das, Sie sollten jetzt den HOHE LUFT Newsletter schnellstmöglich abbestellen? Das muss nicht sein, denn geht man davon aus, dass das Denken eine Macht hat, so hat es auch die Macht, Gutes zu bewirken.
Poppers schlägt den kritischen Pluralismus vor, der menschliche Fehlbarkeit mit der Wahrheitssuche verbindet. Man kann menschliche Unwissenheit eingestehen, ohne dabei den Glauben an die Wahrheit zu verlieren. Der Weg zur Wahrheit führt nach Popper gerade durch den Irrtum. Und dieser führt zur Toleranz gegenüber anderen und dem Eingestehen eigener Fehlbarkeit, was für ihn auch eine ethische Dimension hat.
Kein Wunder also, dass Popper den Historizismus, einen gesellschaftlichen Blick in die philosophische Glaskugel, ablehnte. Historizismus ist die Vorstellung, dass gesellschaftliche Entwicklungen eigenen und bestimmbaren Gesetzmäßigkeiten folgen und somit die Prophezeiung von Zukunft möglich ist. Die Geschichte, so Popper, verfolgt jedoch kein Ziel, welches sich Philosophen (ohne, dass es jemals falsifizierbar wäre) einfach aus der Tasche ziehen können. Es waltet kein objektiver hegelianischer Weltgeist und am Ende eines dunklen Bergarbeitertunnels wartet nicht zwingend die Befreiung des Proletariats. All die philosophische Gedankenakrobatik – Pustekuchen.
Popper attestiert einer solchen Denkart sogar totalitäre Tendenzen, weil sie gewillt ist, den Menschen einer Idee unterzuordnen. Und das ist gefährlich, womit wir wieder bei intellektuellen Dummheiten wären. Unser Denken wird eben dann abgründig, wenn es den Menschen (oder bestimmte Bevölkerungsgruppen) einer Theorie unterzuordnen versucht. Das Denken muss vor allem eines schaffen: Es muss rational und menschenfreundlich bleiben. Genauso, wie die künstliche Intelligenz in Zukunft menschenfreundlich programmiert werde müsste. Aber das ist eine andere Geschichte.