Alle Artikel mit dem Schlagwort: Karl Popper

Wenn Einfälle zur Falle werden, oder: Über die Wirkmacht des Denkens

Es liegt etwas in der Luft… Text: Lena Frings … es ist die Frage nach der Wirkmacht des Denkens. Ich habe mich selbst dabei ertappt: Bomben fallen, Klimaziele werden nicht erreicht – angesichts der Katastrophen mangelt es nicht an intellektuellen Gedanken, so redet meine innere Ungeduld, sondern an schlauen Taten. Doch eigentlich weiß ich natürlich, dass das eine das andere bedingt. Intellektuelle reflektieren nicht nur das Zeitgeschehen. Sie prägen es auch. Und das leider nicht immer zum Guten. Das Denken kann sehr erfindungsreich sein und die absurdesten oder grausamsten Dinge politisch zu rechtfertigen versuchen. Xi Jinping braucht seine Ideologie für die „Umerziehungslager“ der Uiguren, Putin die seine für einen grausamen Krieg. Er beruft sich dabei auf Alexander Dugin (siehe unten). Die Philosophin Hannah Arendt (1906 – 1975) hat dieses Elend in ihrem Interview mit Günter Gaus einmal treffend auf den Punkt gebracht: „Zu Hitler fiel [den Intellektuellen] etwas ein. Zum Teil ungeheuer interessante Dinge. Ganz fantastische und komplizierte und hoch über dem Gewöhnlichen schwende Dinge. Das habe ich als grotesk empfunden. Sie gingen ihren eigenen …

Kaminfeuer der Eitelkeiten

Wie Ludwig Wittgenstein in der Wut des Disputs Karl Popper mit einem Schüreisen bedrohte und dieser eine flammende Antwort gab Text: Tobias Hürter Was genau geschah an jenem Herbstabend im Seminarraum H3, wird wohl für immer ungeklärt bleiben. Glühte das Schüreisen, mit dem Ludwig Wittgenstein unter der Nase von Karl Popper herumfuchtelte? Setzte Popper seine verbale Riposte, bevor Wittgenstein wütend den Raum verließ, oder rief er sie Wittgenstein durch die zugeknallte Tür hinterher? Die Augenzeugen widersprechen sich in diesen Fragen – worin eine spezielle Ironie steckt: Der Raum war gedrängt voll von Philosophen, die sich professionell mit den Grundlagen der Wahrheit und den Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis beschäftigten. Aber an jenem Abend sah jeder etwas anderes. Einig sind die Augenzeugen sich darin: Die Luft war dick am 25. Oktober 1946 im Raum H3 des King’s College der Cambridge University, und das nicht nur vom Rauch der billigen Zigaretten. Zwei der größten lebenden Philosophen waren kurz davor, übereinander herzufallen. Streit ist nichts Ungewöhnliches unter Philosophen. Im Gegenteil, die Philosophie lebt vom Disput. Aber selten eskaliert …

Immer schön anständig bleiben? Unsere Ausgabe 2/2020 ist da!

Anstand – wie das klingt! Man denkt an Eltern, die einen ermahnen: „Zieh dir was Anständiges an!“ oder an die Benimmregeln von Adolph Freiherr von Knigge. Es klingt etwas altbacken, aber Anstand ist vielleicht tatsächlich genau das, was wir brauchen. Es gibt eine Vielfalt anspruchsvoller Moralphilosophie für den ethischen Umgang zwischen den Menschen. Aber wie bekommt man die Balance hin zwischen gutem Benehmen und Authentizität, zwischen Idealismus und Pragmatismus, zwischen eigenem Vorteilsstreben und Achtsamkeit? In unserem Titelessay schlagen wir zehn alltagstaugliche Maximen vor. Außerdem schauen wir in einem zweiteiligen Schwerpunkt auf die Zukunft der Medizin. Die Digitalisierung der Heilkunst führt zu einem grundlegenden Wandel im medizinischen Paradigma, der uns alle betrifft. Im großen Interview spricht diesmal der Londoner Starphilosoph Alain de Botton über das gute Leben, die Liebe und die Emotionen – und erklärt britisch kühl, warum er kein Romantiker ist. Gehört Alain de Botton eigentlich zur »Elite«? Wer oder was »Elite« eigentlich ist, auch darüber gibt es einen Essay. Und wir nähern uns dem Phänomen der Wärme – sie ist viel mehr als Temperatur: …