Die Chefin eines Architekturbüros hat ihre Sekretärin gebeten, „bitte keine Araber“ bei der Auswahl von Bewerbungsunterlagen für eine Praktikumsstelle zu berücksichtigen. Dummerweise ging die E-Mail mit dieser denkbar knappen Anweisung nicht an die Sekretärin, sondern an den Bewerber, der für die kurze Bitte der renommierten Architektin Anlass war.
Die Architektin bestreitet nun ein rassistisches Motiv, welches ihr naheliegenderweise unterstellt wird, mit der Begründung, es sei für die Stelle eine Person mit guten Chinesisch-Kenntnissen und mit Erfahrungen im chinesischen Raum gesucht worden. Das klingt nach einer merkwürdigen Ausrede oder nach bedenklichen Gepflogenheiten im Architekturbüro, denn das schon für ein Praktikum tiefe Kenntnisse in einer speziellen Region vorausgesetzt werden, ist überraschend. Aber nehmen wir einmal an, die Begründung entspricht tatsächlich den Tatsachen. Macht es die Sache weniger rassistisch?
Die erste Möglichkeit, die Bitte der Architektin im Zusammenhang mit ihrer Begründung zu verstehen, besteht darin, dass die Architektin meint, Menschen mit arabischer Herkunft könnten grundsätzlich kein Chinesisch und kennen sich grundsätzlich in China nicht aus, sodass es nicht lohnen würde, diese überhaupt auf ihre Eignung zu prüfen. In dieser Deutung bleibt die Bitte klar rassistisch, weil über die Fähigkeiten einer einzelnen Person nicht anhand der individuellen Zeugnisse und Fertigkeiten entschieden wird, sondern aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die allein auf der Herkunft beruht. Warum sollte eine Frau, die in Marokko geboren wurde, oder ein Mann, dessen Eltern aus Syrien stammen, sich nicht mit der chinesischen Sprache, Wirtschaft und Kultur beschäftigt haben?
Die andere Möglichkeit ist, dass die Architektin fürchtet, dass eine Person mit schwarzen Haaren und nicht ganz blasser Haut von den chinesischen Geschäftspartnern vielleicht nicht akzeptiert werden würde. Der Rassismus gegenüber dem Praktikanten läge dann nicht bei ihr, sondern bei ihren Geschäftspartnern. Natürlich hätte auch dann die Architektin ein rassistisches Vorurteil: „Die Chinesen akzeptieren keine Araber als Gesprächspartner“. Vielleicht kann sie zur Begründung auf entsprechende Erfahrungen verweisen und sie wird sagen, dass ihre Entscheidung eine rein ökonomische ist: Sie muss sich eben an die Gepflogenheiten und Erwartungen ihrer Kunden anpassen.
Muss sie das? Aus ethischen Gründen können wir fordern, dass sie mit Menschen, deren rassistische Vorurteile sie ablehnt, keine Geschäfte macht. Mit einer solchen Forderung kommen wir zu der Frage, ob und in welchem Umfang ethische Grundsätze in der Wirtschaft eine Rolle spielen sollen – oder ob die rechtlichen Rahmenbedingungen so gestaltet sein müssen, dass die Menschen nichts Unmoralisches tun.
Das wäre allerdings nur möglich, wenn Ethik ein universelles Regelwerk wäre, das wir nur erkennen müssten und dann via Politik in Recht umsetzen könnten. Daran kann man aber Zweifel haben. Vielmehr kann man vermuten, dass ethische Grundsätze von jedem einzelnen durch moralische Reflexion des eigenen Verhaltens und der Handlungen anderer gefunden werden können – es sind Gewissensentscheidungen, die man rechtfertigen und diskutieren kann. Aus einer solchen Sicht könnte man sagen: die Entscheidung der Architektin ist ökonomisch verständlich, aber moralisch nicht akzeptierbar. Wenn ökonomische Fragen immer ökonomisch entschieden werden und die Moral keine Grenzen zieht, entsteht eine Welt, in der zwar alles funktioniert, aber in der keiner leben will.
Das ist auch der Grund, warum es sich lohnt, solche Fälle spekulativ zu durchdenken: an ihnen kann man diskutieren, wie Ökonomie und Ethik in Konflikt geraten und warum es wichtig ist, die Seite der Moral zu stärken.
Jörg Phil Friedrich ist Philosoph und lebt in Münster (Westf.). Zuletzt erschien sein Buch „Ist Wissenschaft, was Wissen schafft?„
Bild: Sven Herwig: be different! Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0.