HOHE LUFTpost vom 24.07.2015: Über Moral lässt sich streiten
Was halten Sie von Ehrenmorden? Richtig oder falsch? Wahrscheinlich falsch – hoffentlich! Aber wie begründen Sie es? Wie würden Sie versuchen, jemanden aus einer traditionell islamischen, von der Sharia-Gesetzgebung geprägten Gesellschaft davon zu überzeugen, dass Ehrenmorde nicht OK sind?
Oder grundsätzlicher gefragt: Lässt sich über Moral sinnvoll diskutieren? Die Philosophen sind da geteilter Meinung. Empiristen wie David Hume waren überzeugt, dass die Moral ihrem Wesen nach subjektiv ist, dass also moralische Urteile letztlich auf einem Moralgefühl gründen, das man halt hat oder nicht. Immanuel Kant hingegen versuchte, die Moral mit raffinierten Argumenten in der Vernunft zu verankern – wobei ich bezweifle, ob sie die Ehrenmord-Frage befriedigend lösen würden.
Der amerikanische Philosoph Alex Rosenberg betrachtete all dies kürzlich in einem Artikel auf der Website der New York Times und kam zu dem Schluss: Über Moral lässt sich nicht streiten.
Ich muss Rosenberg widersprechen. Was wäre eine Moral wert, über die sich nicht streiten ließe? Ich bin überzeugt, dass es sinnvoll ist, mit Muslimen darüber zu streiten, ob ein Mord ein geeigneter Weg ist, einen Ehrenkonflikt zu lösen – vorausgesetzt, sie sind ebenfalls bereit, darüber zu streiten. Die Basis dafür liegt weder im Gefühl noch in der Vernunft, sondern darin, dass wir alle zivilisierte Menschen mit gemeinsamen Werten sind.
– Tobias Hürter
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