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Merkelvelli

Angela Merkel hat es nicht leicht in diesen Tagen. Nachdem die amerikanischen Geheimdienste nun offenbar nicht nur einfache Bürger sondern auch das Handy der Kanzlerin höchst persönlich abgehört haben, wartet man gespannt auf den jetzt wirklich überfälligen Paukenschlag aus dem Kanzleramt. Doch die Kanzlerin hüllt sich wieder einmal in Schweigen, wie sie es gerne tut, wenn sie unter Beschuss gerät.

Bereits in der allerersten Ausgabe HOHE LUFT befragten wir den Machiavelli-Spezialisten und Uni-Professor Herfried Münkler zu der Frage, was die heutigen Politiker von dem umstrittenen Florentiner lernen können, der hauptsächlich als Befürworter von grausamen Herrschaftsstilen, wie sie in seinem Hauptwerk „der Fürst“ vorkommen, bekannt ist. Was würde Machiavelli der spionage-gebeutelten Kanzlerin raten?
Die unaufgeregte Passivität, mit der Merkel auch die prekärsten Situationen vorüberziehen lässt, grenzt an stoische Gelassenheit. Dabei wäre in Anbetracht der jüngsten Ereignisse ein Aufreger angebracht. Der italienische Philosoph und Politiker Niccolò Machiavelli hielt Zurückhaltung und Zaudern für völlig deplatziert, wenn es um die Frage der Macht des Herrschenden ging. Für ihn gehörte zu einem Machtinhaber, dass er die „occasione“, die Gelegenheit, am Schopfe packt, wenn diese sich ihm bietet. Eine Eigenschaft, die Merkel bisher in der NSA-Affäre vermissen lässt. Gelegenheiten gab es genug, eine angemessene Reaktion ist bis heute ausgeblieben.
Münkler sagte schon 2011 im Interview mit HOHE LUFT über die deutsche Kanzlerin: „Frau Merkel entspricht sicherlich der Figur des Zauderers im machiavellischen Sinn – sie ist das Gegenbild des entschlossenen Zugriffs.“ Diese Entschlossenheit bedeutet bei Machiavelli mehr als hartes Durchgreifen. Was dem Volk vielmehr durch dieses vermittelt werden soll, ist die „virtù“ – übersetzt mit Tüchtigkeit. Tüchtigkeit im politischen Handeln zeichnet sich durch Risikobereitschaft und Tatendrang aus. Sie zeigt dem Bürger, dass der Herrscher, bei Machiavelli der Fürst, bereit ist, neue Wege zu gehen und sich für das eigene Volk auch ins Ungewisse vorzuwagen. Was Merkel mit ihrer neostoischen Haltung signalisiert ist eher die Resignation vor der Übermacht der USA als Souveränität auf neuen Gebieten. Ein Paradebeispiel dafür ist ihre Bezeichnung des Internets als „Neuland“ zu Beginn des Spionageskandals. Dabei könnte es sich Merkel doch nach ihrer Wiederwahl erlauben, endlich mal den machiavellischen Fürsten raushängen zu lassen, statt immer nur besonnen in die Kameras zu lächeln. Damit sei kein Freifahrtschein für Grausamkeiten am eigenen Volk gemeint, sondern ein Claim für mehr Entschlossenheit und klare Worte. Immerhin hat sie momentan einen enormen Rückhalt in der Bevölkerung; eine selbst für Machiavelli unverzichtbare Grundvoraussetzung für Herrschaft. Da kann man doch wohl auch Obama mal die Meinung sagen.

– Greta Lührs

VERANSTALTUNGSHINWEIS:

Salon Luitpold
Salonlektüren – eine philosophische Lesereihe (Oktober 2013 – Januar 2014) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Wirtschaftsgestaltung.

„Niccolò Machiavelli über Macht, Führungskultur und Verantwortung“
Am Dienstag, 05. November 2013
20 Uhr
Im Cafe Luitpold
Brienner Straße 11
80333 München

Philo_Motiv

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