Alle Artikel mit dem Schlagwort: Wahl

Corine Pelluchon zur Wahl in Frankreich

1 -Was sind Ihre Gedanken und Gefühle nach dem Ergebnis der Stichwahl Macron-Le Pen? Ich war erleichtert, dass Marine Le Pen nicht gewählt wurde, aber die Zahl der Menschen, die für sie gestimmt haben ist besorgniserregend. Ganz zu schweigen von der Wahlenthaltung. In Frankreich, wie in vielen anderen Ländern in Europa und der Welt, gibt es eine Müdigkeit, einen Mangel an einem gemeinsamen Horizont. Die Stimmabgabe für extremistische Parteien ist nicht nur auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zurückzuführen, mit denen die Menschen zu kämpfen haben. Das Fehlen eines gemeinsamen Horizonts ist auch eine Reaktion auf eine technokratische Bewältigung der Probleme, die die Politik ihres Inhalts beraubt. Und Rechtspopulisten nutzen dieses Vakuum, um eine Politik der Identitätsstiftung zu betreiben. Um ein Debakel in fünf Jahren zu vermeiden, müssen wir das Vertrauen in eine gemeinsame Zukunft wiederherstellen, eine Politik betreiben, die nicht nur eine Anpassung an den Neoliberalismus ist oder auch nur eine Möglichkeit, die durch diese ökonomistische Ordnung hervorgerufenen Ungleichheiten auszugleichen. Meiner Meinung nach ist es die Lösung, Ökologie als eine weisere und gerechtere Art, die Erde …

Wieviel Demokratie brauchen wir?

Die Demokratie ist die am wenigsten schlechte Staatsform. Aber sie ist kein Wert an sich. Was bedeutet das für die Zukunft Europas? Text: Tobias Hürter und Thomas Vašek Am 26. September ist wieder Demokratietag in Deutschland, wie alle vier Jahre. Die Bundesbürger – oder die meisten von ihnen – machen ihre zwei Kreuzchen für die Abgeordneten des Bundestags. Es geht um Parteiprogramme, Finanzen und Familien und natürlich um Personen, allen voran um Armin Laschet, Olaf Scholz und Annalena Baerbock. Danach ist, wenn alles gutgeht, wieder vier Jahre Ruhe. Um eines aber geht es zu wenig in diesen Monaten – um die Frage: Was tun wir da eigentlich? Was für eine Handlung ist dieses Kreuzchenmachen, in welchen Strukturen findet es statt, und ginge es vielleicht auch besser? Kurzum: Es geht zu wenig um das Wesen dessen, was wir »Demokratie« nennen, und um das Unwesen. Jeder kennt die Demokratie, aber nicht jeder versteht sie. Sie ist Stoff für dröge Sonntagsreden, Heiligtum vieler Staatsverfassungen, Vorwand für Kriege und Gewalteinsätze. Aber wovon genau spricht man, wenn man »Demokratie« sagt? …

HOHE LUFTpost – Gesellschaft oder Gesellschaften?

HOHE LUFTpost vom 27.05.2016: Gesellschaft oder Gesellschaften?  Am Anfang letzter Woche kamen zwei politische Ereignisse zusammen, die in dieselbe, bedenkliche Richtung weisen. In der Wahl zum österreichischen Staatspräsidenten unterlag der Rechtspopulist Norbert Hofer von der FPÖ nur um Haaresbreite dem von einem breiten Bündnis der übrigen politischen Kräfte unterstützten Kandidaten Alexander Van der Bellen. Und in Berlin kam die AfD-Vorsitzende Frauke Petry mit dem Zentralrat der Muslime zusammen – für nicht einmal eine Stunde, dann ließ Petry das Gespräch platzen. Noch kläglicher war ein Gesprächsversuch von Hofer und Van der Bellen gescheitert, bei einem unmoderierten Fernsehduell blieben sie gerade mal 20 Minuten sachlich, dann brachten sie bloß noch Beschimpfungen und Polemik hervor. Das verheißt nichts Gutes für die Wahlkämpfe, die da kommen: US-Präsidentschaft 2016, deutscher Bundestag 2017. Wenn die konkurrierenden politischen Kräfte gar nicht mehr ernsthaft miteinander reden wollen, steht eine wichtige Voraussetzung einer funktionierenden Demokratie in Frage. Solange die Zickereien kalkulierte Inszenierungen von Berufspolitikern sind, hält der Schaden sich in Grenzen. Sollten sie aber Symptome für eine tiefere Entwicklung sein, dann wird es wirklich …