Es liegt etwas in der Luft…
Text: Lena Frings
… es sind neue Fragen und eine tiefe Sehnsucht nach Antworten.
Waldbrände, Fluten und Tornados sind keine dystopischen Zukunftsszenarien mehr. In den letzten Tagen fegten Stürme über Deutschland und Kanada, während Sandstürme im Irak Menschen den Atem nahmen. Katastrophen dieser Art werden in Zukunft immer wahrscheinlicher. Wie begegnen wir dieser rauen Welt? Wir gehen wir mit Klimaflüchtlingen um, zu denen wir gleichermaßen zählen können? In seinem Hauptwerk »Das Prinzip Verantwortung« stellte der jüdische Philosoph Hans Jonas im Jahre 1979 heraus, dass wir für das Leben kommender Generationen mitverantwortlich sind – ein Gedanke, der heute bereits Konsens ist. Was machen wir daraus?
Maschinelles Lernen wird unsere Arbeitswelt und unseren Alltag auf den Kopf stellen. Es gibt nun künstliche Intelligenzen zum Chatten, die immer ein »offenes Ohr« haben. Zoom und andere Anbieter von Video-Calls versuchen mittels Software Emotionen ihrer User:innen zu analysieren. Künstliche Intelligenz ist in der Lage, Lieder zu komponieren, Texte zu schreiben und Bilder herzustellen. Unzählige Philosoph:innen haben über das Verhältnis von Mensch und Technik nachgedacht. Unter ihnen waren Aristoteles, Walter Benjamin, Karl Marx, Herbert Marcuse und viele mehr. Haben wir diese kritische Aufgabe heute an Science-Fiction-Erzählungen abgegeben?
Putins Krieg gegen die Ukraine erschüttert pazifistische Ideale. Welche neue Haltung lässt sich davon ausgehend entwickeln? Wie schauen wir auf andere Kriege? In Zeiten des Vietnamkrieges galt die US-amerikanische Essayistin Susan Sontag vielleicht als Stimme der Vernunft. Wo lässt diese Stimme sich heute vernehmen? Wie lässt sich über Pazifimus und Krieg denken?
Wir alle haben ein Bewusstsein für unser inneres Seelenleben entwickelt. Wir reflektieren unsere Kindheit, unsere Rolle in Beziehungen und unsere Fähigkeit, uns an andere zu binden. Psychologische Ratgeber sind en vogue. Doch wo kommt der Blick auf die eigenen Gründe und Abgründe an seine eine Grenzen? Die Soziologin Eva Illouz beleuchtet die Psychologisierung von Problemen und das Abwälzen gesellschaftlicher Fragen auf das Individuum immer wieder kritisch. Wo steht Psychologie im Dienst von Nutzenmaximierung? In welchen Bereichen sollten wir wieder eher Gesellschaft in den Fokus rücken und damit einhergehende Fragen der Gerechtigkeit und des Miteinanders?
Vielleicht braucht auch und gerade die Philosophie wieder mehr Mut, sich den Problemen und Herausforderungen unserer Zeit zu stellen. Sie sollte sich an ihre ureigene Aufgabe erinnern, gute Fragen zu stellen, statt vorschnell abstrakte Antworten zu geben. Sie sollte sich fragen: Was kann und soll Philosophie heute sein? Können wir uns heute noch eine Philosophie leisten, die einen Unterschied macht zwischen Lehre und Leben?
1 Kommentare