Immer wenn Statuen gestürzt oder abmontiert werden, wenn Straßen, Plätze oder Universitäten umbenannt werden, regt sich Widerstand. Reden wir nicht von den Ewiggestrigen, die die alten Kaiser, Sklavenhändler und sonstigen Größen vergangener Zeiten immer noch verehren, denen die Denkmäler und Benennungen gewidmet waren. Gegen das „Ausradieren der Vergangenheit“ wenden sich auch diejenigen, die befürchten, dass auch die Erinnerung an die dunkle Vergangenheit verschwindet, wenn man die Namen der früheren Helden aus der Öffentlichkeit verbannt. Wir sollten dazu stehen, so das Argument, dass diese Männer einmal verehrt wurden, wir sollten ihre Abbilder und Namen als verstörende Erinnerung in der Öffentlichkeit bewahren, damit wir immer an die Zeiten erinnert werden, in denen diese Leute als Vorbilder und Lichtgestalten verehrt wurden.
Das ist ein gutes Argument, und es gibt sicher auch andere Möglichkeiten, zu zeigen, dass wir inzwischen anders über diese Menschen denken als zu der Zeit, als ihnen Denkmäler gebaut wurden.
Andererseits kann das Einreißen von Denkmälern, das Austauschen von Straßennamen, das Umbenennen von Institutionen auch ein Akt der Befreiung sein. „Jemanden vom Sockel stoßen“, dass ist sogar ein geflügeltes Wort, das bedeutet, sich mit Kraft und Gewalt von einer Last zu befreien. Der Akt des öffentlichen Vernichtens von Symbolen der Verehrung ist selbst eine Form der Umgestaltung der Gesellschaft, des Diskurses, des Kampfes mit der Vergangenheit, der Neubestimmung. Die zivilisierte Gesellschaft ist in der Lage, dem Sturz des Denkmals selbst einen Erinnerungsort zu schaffen, sie hat Museen, in denen die gestürzte Statue ihren Platz finden kann, sie kann die Geschichte der Straßennamen dokumentieren und den Befreiungsaktion selbst in der Erinnerung bewahren. Insofern wäre es gut, wenn an jedem neuen Namensschild eine Erinnerungsplakette angebracht würde, die auf den alten Namen hinweist und an den Moment der Umbenennung erinnert.
Bedenklich ist, dass wir in einer Zeit leben, die die Erinnerung an Personen und an Ereignisse, auf die die Gesellschaft stolz sein könnte, vermeidet. Als der Hindenburgplatz in Münster zu Recht umbenannt wurde, hätte man ihn z.B. nach der ersten Frau, die in Münster promoviert hat, „Johanna-Richter-Platz“ nennen können. Statt dessen heißt er jetzt Schlossplatz. Die Umbenennung der Wilhelms-Universität steht bevor – welchen Namen wird sie bekommen? Gerade einmal Hamburg und München haben es gewagt, ihre Flughäfen nach Politikern zu benennen. Und wo stehen die Denkmäler für die Helden unserer Zeit? Wenn Denkmäler gebaut werden, sind sie selten großen Ereignissen und schon gar keinen verehrungswürdigen Personen gewidmet. Abstrakten Idealen werden Denkmäler gesetzt, die in Zukunft kaum Anstoß erregen werden, weil sie je nach politischer Lage auch umgedeutet werden können.
Unseren Nachkommen nehmen wir so die Chance, über unsere Zeit zu streiten, sich an unseren Denkmälern abzuarbeiten und sie womöglich zu stürzen. Wie wird man in späteren Jahren über uns diskutieren können, wie wird man sich von unseren Fehlern distanzieren können, wenn wir keine Denkmäler für die Menschen errichten, die wir als Symbole unserer Ideale verehren? Wir brauchen mehr Straßen und Plätze mit den Namen der „Großen unserer Zeit“, Denkmäler für unsere Helden – damit unsere Nachfahren sie stürzen können, wenn sie meinen, dass sie gestürzt werden müssen.
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