Was verändert sich, wenn man nicht mehr nach Menschen, sondern nach ihren Eigenschaften sucht?
„Graph Search“ heißt die neue Facebook-Suchfunktion und ermöglicht bald auch für deutsche User eine gezielte, an gemeinsamen Interessen orientierte Suche nach Benutzern des sozialen Netzwerkes. Durch Suchaufträge wie „Leute, die in Hamburg wohnen und Philosophie mögen“ soll es leichter sein, Freunde mit ähnlichen Interessen zu finden und sich mit ihnen auszutauschen. Beziehungsstatus, Arbeitsplatz, Alter, Wohnort, bevorzugte Fernsehserien und Filme, politische oder religiöse Zugehörigkeit, jedes persönliche Merkmal kann als Suchalgorithmus verwendet werden und zeigt die entsprechenden Personen auf Facebook an.
Bisher konnte man auf Facebook nach Personen suchen, die ein Facebookprofil angelegt hatten. Mit Graph Search sucht man nunmehr nicht nach Namen, sondern nach Eigenschaften wie „männliche Singles aus Hamburg, die Sushi mögen“ oder „Verwandte von Freunden, die katholisch sind und die CDU mögen“. Mit diesem neuen Werkzeug der sozialen Rasterfahndung lässt sich jede Kombination von Merkmalen suchen, jedes Profil liefert uns genau die Menschen aus unserem näheren und erweiterten sozialen Umfeld, die die bestimmten Features aufweisen.
Man kann hierin einen weiteren Schritt zur Optimierung von sozialen Beziehungen sehen. Auf einmal bekommen wahllos gesetzte „Likes“ eine ganz neue Bedeutung und entscheiden, welches soziale Profil wir haben. Während wir früher erst die Person auf Facebook oder auch auf der Straße gesehen haben und erst später etwas über ihre Interessen und Eigenschaften erfahren haben, können wir uns nun schon vorher die Features herauspicken, die für uns besonders wichtig sind. Dies kann natürlich praktisch sein, etwa wenn ich Gleichgesinnte in meiner Nähe für ein bestimmtes Projekt suche. Wenn wir aber anhand von Eigenschaften und persönlichen Interessen entscheiden können, zu wem wir Kontakt haben möchten und zu wem nicht, führt dies wohlmöglich dazu, dass wir uns nur noch auf die Personen konzentrieren, mit denen wir vieles gemeinsam haben und andere ausklammern, da sie durch unser soziales Raster fallen. Unser persönliches Raster muss aber nicht zwangsläufig richtig sein, oft ist unser Bild von bestimmten sozialen Gruppen durch Vorurteile verzerrt. Offenbar liegt Graph Search, ähnlich wie online Partnerbörsen, die Annahme zugrunde, dass soziale Beziehungen auf gemeinsame Interessen, also „Likes“ reduzierbar sind.
Dagegen kann man einwenden, dass doch jeder weiß, wie willkürlich und manchmal ironisch gemeint die Angaben vieler Personen auf Facebook sind. Dennoch ist die Bedeutung von Facebook für viele User im Alltag sehr hoch. Graph Search könnte also mit ihrer Schubladensystematik eine wichtige Komponente der sozialen Interaktion gefährden: die Überraschung, die uns manchmal ereilt, wenn wir Menschen kennenlernen, die eventuell nicht in unser bevorzugtes Sozialprofil gepasst hätten.
– Greta Lührs –
4 Kommentare