Am 06.03. fand HOHE LUFT_live bereits zum vierten Mal in der modern life school in Hamburg statt, diesmal zum Thema Glaube. Der Philosoph und Theologe Dr. Christoph Quarch diskutierte mit HOHE LUFT-Chefredakteur Thomas Vašek über Gott, die Sinnfrage und den Unterschied zwischen Religiosität und Spiritualität.
Glauben heißt nicht gleich „an Gott glauben“, obwohl diese Annahme fälschlicherweise oft unterstellt wird. Dabei kann sich die Religion auf ganz unterschiedliche Glaubensformen beziehen. Dr. Quarch zitiert in diesem Zusammenhang Friedrich Schleiermacher: „Religion ist Sinn und Geschmack für das Unendliche“. Somit ist der Glaube an Gott genauso nur eine Form von Religion wie der Glaube an ein nicht näher bestimmtes Göttliches, das Absolute oder das Kosmische. Diesen Formen von Religion ist ein Gefühl von Vertrauen in eine tiefere Sinnhaftigkeit gemein. Glaube, ganz gleich, auf welche Religion er sich bezieht, schafft, so Quarch, das Bewusstsein für größere Verbundenheit. Dem liegt das tiefe Bedürfnis nach Sinn zugrunde, das ausnahmslos jeder Mensch hat. Diese Sinnsuche bezeichnet Quarch als Spiritualität, woraus folgt, dass alle Menschen a priori spirituell sind. Im Versuch, sich auf dieses Ur-Empfinden zu verständigen, kommt es dann zur Ausdifferenzierung und schließlich zu Missverständnissen. Ein klarer Sternenhimmel kann sich für den einen als etwas Göttliches darstellen, für den anderen als Gefühl tiefer kosmischer Verbundenheit und für einen Dritten wiederum als eindrückliches Naturschauspiel. Der Sternenhimmel ruft bei allen ein Gefühl der Überwältigung hervor, zeigt sich in seiner Versprachlichung aber auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Heißt das, will Vašek wissen, dass er sein persönliches Sternenhimmel-Erlebnis mit dem Glauben an das fliegende Spaghetti-Monster erklären kann? Immerhin findet das Ur-Gefühl in ganz unterschiedlichen Glaubensformen Ausdruck, warum dann, neben Gott und der kosmischen Verbundenheit, nicht auch noch im Spaghetti-Monster? Quarch lenkt ein: Zwar ist auch das Spaghetti-Monster nur Medium ein- und derselben Ur-Erfahrung, aber entfernt sich in seiner Erscheinungsform derart vom Ursächlichen, dass, wie bei vielen anderen Religionen auch, nichts als ein ideologisches Gebilde übrig bleibt. Das nennt Quarch das Drama der Verselbstständigung von Religion. Ist Religion also nur der Versuch, Empfindungen erklärbar zu machen, die sich unserem rationalen Verständnis entziehen? Warum hat sie dann einen normativen Anspruch? Hat die Religion gar etwas in der Welt der Werte zu suchen? Quarch nennt es einen fatalen Fehler, dass sich Kirchen als Sachwalter der Moral präsentieren. Vielmehr sollten sie sich als spirituelle Räume verstehen, die, abhängig von der jeweiligen Glaubensausrichtung, unterschiedliche Möglichkeiten zur Sinnsuche bieten. Religionen sollten sich durch eine entsprechende atmosphärische Färbung voneinander abgrenzen und nicht durch vermeintlich richtungsweisende Ethik-Indizes. Problematisch im Zusammenhang damit ist jedoch, so Vašek, dass jede Religion den von ihr postulierten Wahrheitsanspruch verteidigen muss. Würde sie dies nicht tun, würden die verschiedenen Glaubensformen verwässern – es gäbe irgendwann nur noch eine Form von Spiritualität. Und was wäre dann? Chaos oder Frieden?
Auch im Rahmen des vierten HOHE LUFT_live-Abends diskutierte das Publikum angeregt mit. Und auch diesmal wurde auch noch nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung hitzig mit Thomas Vašek und Dr. Christoph Quarch weiterphilosophiert. Natürlich bei einem Glas Rotwein. Amen.
– Christina Geyer –
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