Alle Artikel in: HOHE LUFTpost

HOHE LUFTpost – Gotteslästerung heute und damals

HOHE LUFTpost vom 23.01.15: Gotteslästerung heute und damals Es ist leicht, sich fortschrittlich zu fühlen angesichts der Proteste von Millionen Menschen weltweit – und nicht nur Muslimen – gegen die neuerlichen Mohammed-Zeichnungen in Charlie Hebdo. Haben die noch immer nicht verstanden, dass die Zeiten unangreifbarer Religionen vorbei sind? Dabei sollte man allerdings nicht vergessen, dass diese Zeiten auch bei uns noch nicht so lang her sind. In den 1960er Jahren brachte die in München gegründete Künstlergruppe SPUR eine Zeitschrift heraus, deren Zeichnungen und Texte weitaus harmloser waren als Charlie Hebdo. Die Ausgabe Nr. 6 geriet in die Hände von Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI. Er nahm Anstoß an Sätzen wie »Christi agfacoloreskes Blut beschmutzt meinen Anzug« und erstatte Anzeige. Die Gerichte folgten ihm in mehreren Instanzen und verurteilten die Künstler wegen »Gotteslästerung und Pornographie« zu Gefängnisstrafen. In solchen Sätzen trete »die Verhöhnung Christi klar zu Tage«. Noch 1975 lehnte das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde der SPUR ab – obwohl das Grundgesetz die Freiheit der Kunst als ein besonders hohes Gut schützt. Heute hängen Werke …

HOHE LUFTpost – Warum ich nicht Charlie bin

HOHE LUFTpost vom 16.01.15: Warum ich nicht Charlie bin »Je suis Charlie« ist der Slogan dieser Tage, er steht für die weltweite Solidarität mit dem Satiremagazin Charlie Hebdo, dessen Redaktion vergangene Woche das Ziel des brutalsten Terroranschlags der letzten Jahre in Europa war. Er soll bedeuten: »Wer die Meinungsfreiheit angreift, der greift auch mich an«. Der Anschlag zielt auf ein Grundprinzip unserer Gesellschaft: das Recht auf freie Rede. Doch es steht noch mehr auf dem Spiel: unsere Toleranz. Sie erlaubt Menschen mit verschiedensten Werten und Lebensweisen, friedlich miteinander auszukommen. Das Magazin Charlie Hebdo ist ein Testfall für unsere Toleranz. Seine Karikaturen vermischen oft das Religiöse mit dem Sexuellen, sie zeigen Jesus und Gottvater beim Analsex und Frauen in Ganzkörperschleier mit einem dreieckigen Loch für die Vagina. Ich persönlich finde sie schrecklich geschmacklos. Nein, ich bin nicht Charlie. Aber gerade deshalb verteidige ich das Recht, solche Zeichnungen zu veröffentlichen. Toleranz bedeutet, dasjenige in Ruhe sein zu lassen, was man für sich ablehnt. Wir sollten uns vom Anschlag von Paris anspornen lassen, diese Tugend zu pflegen – …

HOHE LUFTpost – Das Fremde fremd sein lassen

HOHE LUFTpost vom 09.01.15: Das Fremde fremd sein lassen Unsere Zeit ist nicht nur von schönen Tönen geprägt. Von »Islamismus« ist viel die Rede, und von »Fremdenhass«. Warum wirkt das Fremde auf viele Menschen so feindlich, so bedrohlich? Mit diesen Fragen beschäftigt sich seit langem der in München lebende Philosoph Bernhard Waldenfels. Seine Antwort ist einfach, aber überzeugend: Das Fremde ist uns nicht geheuer, weil es sich nicht in unsere Ordnungen fügt – sonst wäre es ja nicht fremd. Da wir aber die Neigung haben, alles zu ordnen und zu kategorisieren, widerstrebt uns alles Fremde. Was wäre eine bessere Haltung gegenüber dem Fremden? Nach Waldenfels ist es nicht der richtige Weg, das Fremde verstehen zu wollen. Denn auch Verstehen hat unweigerlich etwas von Einordnen und Kategorisieren. Es würde dem Fremden die Fremdheit nehmen – und damit einen Teil seines Wesens. Waldenfels hält es für besser, das Fremde erst einmal auf sich wirken zu lassen. Zu fragen: Was löst es in mir aus? Und sich jedes Urteils, ob positiv oder negativ, zu enthalten. Wäre diese Haltung …