In Wittgensteins Hauptwerk Tractatus logico-philosophicus finden sich Sätze, die auch von einem Zen-Meister stammen könnten. Zum Tod beispielsweise hat der Philosoph Folgendes zu sagen: „Den Tod erlebt man nicht. Wenn man unter Ewigkeit nicht unendliche Zeitdauer, sondern Unzeitlichkeit versteht, dann lebt der ewig, der in der Gegenwart lebt. Unser Leben ist ebenso endlos, wie unser Gesichtsfeld grenzenlos ist.“
Das Werk mit dem etwas sperrigen Titel enthält also mehr als nur dröge Sprachphilosophie. Denn auch wenn sich der Text streng in Paragrafen gliedert, so hat Wittgenstein trotzdem noch den Platz für ein paar Worte der Weisheit gefunden. Ewiges Leben für den, der in der Gegenwart zu leben weiß? Wittgenstein weist uns mit seiner Reflexion darauf hin, wie manchen Worten – gerade einem so aufgeladenen wie „Ewigkeit“ – ein Ballast von Bedeutung anhängt, der den Blick auf das eigentlich Gemeinte versperrt.
Das Wort „Ewigkeit“ weckt erst einmal Assoziationen an das Jenseits, an einen postmortalen Lebensabschnitt sozusagen, der mit dem Ableben beginnt und sich dann unendlich fortsetzt. Selbst derjenige, der nicht an ein Fortleben der Seele nach dem Tod glaubt, wird dennoch in der Regel dasselbe unter „Ewigkeit“ verstehen, wie derjenige, der darauf hofft, sie zu erlangen. Nun stellt Wittgenstein den Sinngehalt des Wortes aber auf den Kopf und reißt uns damit aus unseren eingefahrenen Denkgewohnheiten. Ewigkeit als Unzeitlichkeit und nicht als unendlich lange Dauer entspricht im Grunde genommen genau der Art und Weise, wie wir die Gegenwart erleben.
Das Zeitempfinden des Menschen ist notorisch unzuverlässig – ‘mal kommt einem der dreißigminütige Vortrag vor wie eine halbe Ewigkeit, ‘mal geht die Zeit vorbei wie im Fluge. Und in manchen Momenten verliert man jedes Zeitgefühl. Wenn man nun unter Ewigkeit nicht eine unendliche zeitliche Ausdehnung, sondern vielmehr einen Zustand der Zeitlosigkeit versteht, dann wird der Mensch der Ewigkeit schon dadurch teilhaftig, dass er am Leben ist. Der Augenblick hatte schon immer einen guten Ruf und dank Wittgenstein wissen wir jetzt auch warum.
– Danilo Flores
VERANSTALTUNGSHINWEIS
37. Internationales Wittgensteinsymposium
Der österreichischen Ludwig Wittgenstein Gesellschaft
Vom 10. bis 16. August in Kirchberg am Wechsel/Niederösterreich