Kürzlich erhielt ich von meiner dreizehnjährigen Nichte einen Brief, auf buntem Papier und mit Pferdeaufklebern versehen, wie man das in dem Alter halt so macht. Sie erzählte ein bisschen von ihrem Alltag und bat abschließend: „Bitte schreib mir schnell zurück.“ Ich kam ihrer Aufforderung gern nach, hatte ich mich doch sehr über diesen Brief gefreut.
In meinem Briefkasten landen hauptsächlich Rechnungen und Werbung. Höchstens in der Weihnachtszeit oder an meinem Geburtstag verirren sich mal ein paar Grußkarten darin. Aber Briefe? Richtige Briefe auf Papier, vielleicht sogar noch mit der Hand geschrieben wie der meiner Nichte? Das war einmal. Ich habe meine Korrespondenz schon lange vom Briefeschreiben zum E-Mailschreiben verlagert. Und all meine Freunde und Kollegen auch.
Stirbt das Briefeschreiben aus? Geht eine ganze Kultur verloren? Der Literaturwissenschaftler Jan Bürger glaubt, das Gegenteil sei der Fall: „Natürlich gibt es die schrecklichen Mails mit zwei lapidaren Sätzen, aber auch das Phänomen, dass Menschen wieder richtige Briefe schreiben und mit diesem schnellen Hin und Her auch zu neuen Formen der Dialogizität kommen, die den Austausch inhaltsreicher und substanzieller machen.“ (Zitat aus: „Glücklich ist, wer korrespondiert!“) Die meisten dieser Briefe werden heute per E-Mail verfasst. Das Medium ändert sich, nicht aber die Lust am schreibenden Austausch.
Doch auch die E-Mail scheint längst nicht die Endstation schriftlicher Kommunikation zu sein. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass sinnlose Mailfluten wenig wirtschaftlich sind. In gewisser Weise gilt das auch für den privaten Bereich. Dienste wie Facebook und Twitter verändern unsere Kommunikationsgewohnheiten völlig. Statt uns privat mit einem Freund auszutauschen, lassen wir ungefragt die ganze Welt an unseren (nicht immer klugen) Gedanken teilhaben und erhalten von wildfremden Menschen (nicht immer kluge) Antworten. Und statt gute Texte aufzubewahren, verschwinden sie irgendwo im Netz, wo sie nie wiedergefunden werden. Der Brief meiner Nichte hingegen liegt immer noch auf meiner Kommode, wo ich ihn gern ansehe und mich an ihm erfreue. Er ist ein sehr persönliches Geschenk.
– Katharina Burkhardt
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