HOHE LUFT
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Ich like dich

Früher haben wir Dinge gemocht, vielleicht sogar geliebt. Heute liken wir sie. Neue Kommunikationstechnik transportiert nicht nur Sprache auf neuen Kanälen, sie verändert auch die Sprache. Das Verb »liken« ist eines der eindrucksvollsten Beispiele der letzten Zeit. Fast jeder kennt es, fast jeder versteht es. Im Duden steht es nicht – noch nicht. Ohne Facebook würden wir nicht »liken«, wir würden wohl immer noch mögen oder lieben. Aber ist das wirklich nur ein anderes Wort, liken statt mögen?

Es ist nicht nur ein anderes Wort. Es ist auch eine andere Bedeutung, und aus Sicht des Sprachphilosophen ist das Interessante daran, wie die Verwendung die Bedeutung prägt. Facebook ist arm an Möglichkeiten, auf die Beiträge anderer zu reagieren. Man kann sie liken oder kommentieren. Man kann ein Posting nicht »disliken«. Ein Like kann vieles ausdrücken: Zustimmung, Solidarität, Respekt, Aufmunterung oder einfach nur »Ich hab’s gesehen«.

Im realen Leben haben wir mehr Möglichkeiten. Wir können einen Bekannten auf der Straße mit Überschwang begrüßen, mit distanzierter Höflichkeit oder mit einem knappen Kopfnicken, oder ignorieren. Wenn er uns von eiem Malheur erzählt, können wir unser Mitgefühl ausdrücken. Aber wenn er das Malheur auf Facebook postet? Was liken wir dann, wenn wir es liken – etwa das Malheur?

Daumen hoch auf Facebook, das ist sprachphilosophisch gesehen ein Sprechakt, und zwar ein äußerst ausdrucksarmer, weil vieldeutiger. Die Vieldeutigkeit vervielfacht sich noch durch die soziale Komponente: Man sieht, was andere auf Facebook liken. Was genau meinen sie? Man muss es irgendwie interpretieren, und wenn man sich mit der Interpretation identifizieren kann, drückt man auch auf »Gefällt mir«, was wiederum die anderen missverstehen können. Das Gemeinschaftsgefühl, das Facebook schafft, ist trügerisch. Tatsächlich liken wir alle aneinander vorbei.

 

Tobias Hürter

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