Der Verein DenkWelten bringt die Philosophie ins Museum! Aktuell läuft die zweite Ausstellung „überdacht! philosophie mit weitblick“ im Landgrafenschloss Marburg. Ziel ist es, das Verständnis von Philosophie zu erweitern und die ästhetische Qualität von philosophischer Reflexion ins Zentrum zu rücken. Das Museum widmet sich nicht einzelnen Philosophen und ihrer Vita, sondern der Veranschaulichung von philosophischen Ideen. Die ausgestellten Exponate verdichten wichtige Überlegungen großer Philosophen und machen diese sicht- und greifbar. Wir haben Tobias Weilandt, Vorstandsmitglied von DenkWelten, einige Fragen gestellt.
HOHE LUFT: Welche Idee liegt dem Philosophie-Museum zugrunde? Welche Ziele stehen dahinter?
Tobias Weilandt: Philosophische Ideen werden in zumeist interaktiven Exponaten versinnbildlicht und so breiten Bevölkerungsschichten auf eine neuartige Weise zugänglich gemacht. Ziel ist es dabei, deren Philosophieverständnis grundlegend zu erweitern. Philosophieren, wie wir es verstehen, ist keine bloße Beschäftigung mit philosophischen Gedanken, sondern eine Wissenschaft, mit eigenen Methoden. Bei unseren Exponaten legen wir großen Wert auf fachwissenschaftliche Seriosität. Wir sind zwar gezwungen Theorien und Thesen zu vereinfachen. Bevor wir aber philosophische Ideen allzu sehr simplifizieren, verwerfen wir lieber das Konzept. Ein weiterer wichtiger Aspekt unserer Arbeit ist der, den wir „Ästhetik der Theorien“ nennen. Jedes Exponat spiegelt die ästhetischen Qualitäten der ihm zugrundeliegenden Theorie wider. So ist das Wittgenstein-Exponat sehr nüchtern und streng gehalten. Die Kombination aus Fachwissenschaftlichkeit und künstlerischer Verarbeitung macht unser Museumskonzept weltweit einzigartig.
HOHE LUFT: Warum konzentriert sich das Museum mehr auf einzelne philosophische Ideen als auf deren Urheber?
Tobias Weilandt: Unser Ziel ist die Realisierung eines Philosophie-, nicht eines Philosophenmuseums. Wir legen ganz klar den Fokus auf die philosophischen Ideen eines Immanuel Kants oder Ludwig Wittgensteins. Die Biographien der jeweiligen Denker sind zwar sicherlich ebenfalls interessant, spiegeln aber nicht das Interesse der akademischen Philosophie wider. Eine Theorie oder eine These muss unabhängig von den biographischen Umständen untersucht werden. Sie sind irrelevant, wenn es darum geht, eine Überlegung auf ihre logische Konsistenz zu prüfen. Die philosophische Idee sollte im Mittelpunkt des philosophischen Interesses stehen. Genau diese Form der akademischen Praxis möchten wir auch in unseren Ausstellungen zeigen. Dass unsere Ausstellungsstücke trotzdem Philosophennamen tragen hat nur den Zweck, dass sie eine erste Orientierung durch die Ausstellung bieten
HOHE LUFT: In der aktuellen Ausstellung gibt es ein Exponat zu Gottlob Frege, das die Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung aufgreift. Das zweigeteilte Stadtdiorama zeigt die Stadt einmal bei Morgen- und einmal bei Abenddämmerung. Beide Stimmungen sind geprägt von ein- und demselben Stern (Morgen-/Abendstern), der jedoch je nach Tageszeit einen unterschiedlichen Sinn hat. Was kann der Besucher daraus lernen?
Tobias Weilandt: Das Exponat „Der Morgenstern ist der Abendstern“ visualisiert Freges begriffliche Unterscheidung zwischen „Sinn“ und „Bedeutung“. Er erkannte, dass man sprachliche Ausdrücke nicht nur dadurch versteht, dass man weiß, worauf sie sich beziehen, sondern auch, wie auf das bezeichnete Objekt Bezug genommen wird. Am vorliegenden Beispiel lässt sich Freges Überlegung gut erklären: Als Abendstern bezeichnen wir den Stern, den wir abends als erstes sehen. Der Morgenstern hingegen ist der Stern, der als letzter am morgendlichen Himmel erscheint. Am Abend, wie am Morgen betrachten wir denselben Gegenstand, nämlich die Venus. Nach Frege haben also die Wörter Abendstern und Morgenstern dieselbe Bedeutung. Vertauschen lassen sich beide Bezeichnungen aber nicht, denn sie haben nicht denselben Sinn. Der Abendstern ist eben nicht der Stern, der morgens als letzter Stern zu sehen ist. In unserem Frege-Exponat verbildlichen wir diese Unterscheidung, indem wir je ein Stadtdiorama zur Morgen- und zur Abendzeit darstellen. Hier ist der Morgenstern bzw. der Abendstern zu sehen. Schaut man von oben auf die Dioramen, erkennt man, dass es sich bei beiden Sternen um denselben Gegenstand, nämlich die Venus handelt.
Das Exponat motiviert unter anderem zu der Frage nach dem Verhältnis von Sprache und Welt. Ist die Sprache tatsächlich nur ein bloßes Abbild der Welt, wie dies lange behauptet wurde?
HOHE LUFT: Welche Vorteile hat die Visualisierung abstrakter Ideen gegenüber der Lektüre?
Tobias Weilandt: Bereits im Alltag gelten Ausdrücke, wie Bildlichkeit oder Anschaulichkeit als Synonyme für Verständlichkeit. Der große Vorteil von Visualisierungen liegt darin, dass sie einen übersichtlichen Einblick in ein Thema geben. Sie können mehrere Sachverhalte gleichzeitig darstellen, denn die relevanten Informationen stehen räumlich nebeneinander. Die Informationen müssen nicht erst aus einer langen Liste von Sätzen extrahiert und ins Verhältnis gesetzt werden. Sie sind in einem Objekt fokussiert. Bestimmte Aspekte einer philosophischen Theorie können mehr oder weniger direkt abgelesen werden. Wir behaupten nicht, dass Visualisierungen in irgendeiner Weise besser seien als Texte. Beide Medien ergänzen sich gegenseitig. So gibt es zu jedem Ausstellungsstück einen kurzen Text, der den Blick des Betrachters lenken soll. Ganz ohne Kontextualisierung wären unsere Exponate auch nur Dekorationsgegenstände.
Tobias Weilandt im Interview mit HOHE LUFT-Redakteurin Christina Geyer