Große Fragen zeichnen sich dadurch aus, dass jeder kluge Kopf sie auf seine Weise beantwortet. In unregelmäßiger Folge stellen wir große Fragen an verschiedenste Persönlichkeiten. Unsere dritte große Frage: WAS GIBT IHNEN ZUVERSICHT? Es antwortet: Christoph Kappes, Jurist, Unternehmer und Publizist.
»Große Fragen« vor einem leeren Blatt nehmen mir für kurze Zeit die Zuversicht. Daher bin ich froh, dass ich niemanden trösten, sondern nur von mir Auskunft geben soll. Meine Zuversicht kann nur aus meiner Vergangenheit folgen, da ich die Gegenwart oft als fragil wahrnehme und ich die Zukunft nicht kenne. In meiner Vergangenheit hielt die Gewissheit des Kindes, dass die Dinge gutgehen werden, noch sehr lange an. Ländlich-übersichtliche Verhältnisse, viel Kontakt zur Natur und eine katholische Erziehung haben mir früh das Gefühl vermittelt, dass die Welt wohlgeordnet ist und ich in etwas Größeres eingebettet bin. Die Umstände, in die ich geboren wurde, erwiesen sich im Nachhinein als Glück: Ich bin aufgewachsen wie ein Hund, dem man den Fressnapf hinstellte. Ich war frei und unbesorgt. Ich war der deutsche Pippi Langstrumpf.
Später gab es Erschütterungen, ich schien aus einem Traum zu erwachen. Ich war plötzlich Objekt: eingegliedert in eine fremde Familie, zweifelnd am Glauben, von Systemen prozessiert (Staatsexamen), getrieben von den eigenen Zielen (Unternehmen). Unglücke kamen: Der Tod meines besten Freundes, dem ich nicht helfen konnte, und der Tod meines Vaters kurz nach unserem Kennen lernen. Ich musste lernen, Ich und Du zu unterscheiden, Angst zu sehen, Alleinsein auszuhalten, Muster und Projektionen zu verstehen. Erst nach Jahren stellte sich ein Zustand reflektierter Zuversicht ein. Eine Zuversicht, in der die Möglichkeit des Scheiterns immer mitläuft. Diese Art Zuversicht verdanke ich nicht der Philosophie, sondern der Psychotherapie. In der vorerst letzten Phase wühle ich in Theorie. Soziologische Lektüre hat mich staunen gemacht, wie gut Gesellschaft mit ihren Interdependenzen funktioniert und doch fragil ist, wenn wechselseitige Erwartungen irritiert und Routinen gestört werden. Doch Theorie kann mich nicht halten: Ich sehe immer mehr, dass alles auch ganz anders sein könnte. Und wo es im Wandel doch wenigstens Muster geben könnte, fürchte ich mich vor ihrer Wiederholung. Es mag seltsam und meinem Alter geschuldet sein, aber so, wie meine Zuversicht auf persönlicher Vergangenheit gründet, wird auch meine Sorge aus einer geschichtlichen Vergangenheit gespeist.
Der Jurist, Publizist und Berater Christoph Kappes (*1962) besitzt eine Beratungsagentur für Digital Business. Kürzlich startete er das Netzwerk »Schmalbart« gegen Fake-News und Rechtspopulismus.
Weitere Antworten Prominenter finden Sie im aktuellen Heft (HOHE LUFT 3/2017) – jetzt am Kiosk oder im Onlineshop.