HOHE LUFTpost vom 13.05.2016: Künstliche Dummheit
Künstliche Intelligenz ist ein »Megatrend«. Den Begriff gibt es bereits seit 60 Jahren, aber jetzt scheint die Sache wirklich abzuheben. Die meisten großen Konzerne, von der Rückversicherung bis zum Autohersteller, haben inzwischen KI-Abteilungen. Einen Vorgeschmack auf die »intelligenten« Dinge, die da kommen, geben unsere Smartphones: die Sprachassistenten Siri, Google Now & Co. sind schon ziemlich geschickt darin, Fragen nach dem Wetter oder der Verkehrslage zu beantworten.
Ein Sprachassistent der nächsten Generation wurde diese Woche in New York vorgestellt: Viv. Er kann auf Kommando – oder auf Bitte? – sogar Überweisungen tätigen und Taxis bestellen. Klingt alles praktisch, hat aber einen Haken. Wenn solche Systeme wirklich intelligent sind, dann ist ihr Verhalten nicht vorherzusagen. Sie haben ein Eigenleben. Wohin das führen kann, demonstrierte vor ein paar Wochen unfreiwillig das Unternehmen Microsoft. Es setzte einen KI-Bot namens Tay in den sozialen Netzwerken aus. Tay antwortete zum Beispiel auf Tweets anderer Nutzer – und die nutzten die Chance, ein bisschen Spaß zu haben. Sie provozierten Tay. Am Ende des ersten Tages setzte Tay eindeutig rassistische und sexistische Tweets ab, leugnete sogar den Holocaust. Microsoft schaltete Tay wieder ab. Das gescheiterte KI-Experiment endete zwar peinlich, aber ziemlich harmlos. Es zeigt jedoch die Gefahren des KI-Trends. Wenn wir nicht mehr wissen können, was unsere Maschinen tun, und warum sie es tun, warten Überraschungen auf uns, und nicht jede davon wird gut sein.
– Tobias Hürter