Diese Gleichung scheint nicht wirklich aufzugehen. Jedes Unternehmen, das irgendetwas entwirft, hat heute eine Design-Philosophie. Mit Philosophie hat das, was gemeinhin darunter verstanden wird, jedoch relativ wenig zu tun. Egal ob es sich um Autos, Möbel, Küchengeräte oder Mode handelt – irgendeine „Philosophie“ muss hinter jedem neuen Entwurf stehen, um dem Produkt einen spezifischen Mehrwert, eine metaphysische Aura zu verleihen.
Geschafft wie kein anderer hat dies wohl die Marke Apple. Wenn Sir Jonathan Ive (er wurde zum Ritter geschlagen für seine Leistungen im Bereich Design), Industriedesigner bei Apple, über die Design-Philosophie der Weltmarke spricht, fallen Worte wie Intuition, Einfachheit und Hingabe an das Produkt. »Unsere Ziele sind ganz einfach: bessere Produkte zu designen und zu erschaffen. Wenn das, was wir machen können, nicht besser ist, tun wir es nicht« so Ive.
In diesem Sinne bezeichnet »Design-Philosophie« nicht die Philosophie des Designs, sondern die Taktik, ein Produkt so zu gestalten, dass es möglichst oft verkauft wird. Apple möchte mit seinem Design eine emotionale Beziehung zwischen Gerät und Benutzer herstellen. Die Art und Weise wie die Produkte präsentiert und beworben werden, soll ein unumgehbares Bedürfnis wecken, in den nächsten Elektronikladen zu stürzen. Dass Leute nächtelang vor den Applestores campieren, um als erstes das neue iPhone 6 zu bekommen, zeigt einmal mehr, wie sehr dieses Konzept aufgeht.
„Es ist ein Zeichen unserer Zeit, dass erwachsene Menschen sich hinsetzen und ernsthaft elektrische Haarbürsten, strassbesetzte Schuhlöffel und Nerzteppichböden für Badezimmer entwerfen, um dann komplizierte Strategien auszuarbeiten, wie man diese erzeugen und an Millionen Menschen verkaufen kann.“ So kritisierte der österreichisch-amerikanische Design-Philosoph Viktor Papanek Anfang der 70er Jahre die Arbeit von Designern.
In seinem Buch »Design for the Real World« macht sich Papanek für mehr ethisches und ökologisches Bewusstsein im Design stark. Designer selbst müssten verantwortungsvoller handeln statt nur auf Gewinnmaximierung und die künstliche Erzeugung von Bedürfnissen abzuzielen.
Seine Thesen sind heute aktueller denn je – die Nachfrage nach Produkten, die nachhaltig, ökologisch und sozial vertretbar gefertigt werden, ist auch in den Branchenhochburgen des Designs angekommen. Gleichzeitig zeigen Massenphänomene wie der Apple-Hype, dass die Zahl der unkritischen Konsumenten nach wie vor riesig ist.
Muss Design nützlich sein? Ist ästhetische Gestaltung ein Selbstzweck? Darf man Rohstoffe verwenden, deren Gewinnung Umwelt und Menschen schadet? Muss Design ein Prestigeobjekt der Besserverdiener sein?
Fragen dieser Art sind letztlich ethischer Natur und thematisieren die Verantwortung des Designers gegenüber der Gesellschaft. Design-Philosophie, verstanden als Design-Ethik, beinhaltet also viel mehr als das Credo »höher, weiter, besser«.
– Greta Lührs
VERANSTALTUNGSHINWEIS
HOHE LUFT_live meets Designers’ Open.
Über das Verhältnis von Philosophie und Design diskutiert HOHE LUFT Chefredakteur Thomas Vašek mit der Designphilosophin Manja Unger-Büttner und dem Industriedesigner Ralf Pohl.
Am 25.10.2014
Um 11:00
Im Speakers‘ Corner der diesjährigen Designers’ Open auf dem Leipziger Messegelände, Messe-Allee 1, 04356 Leipzig
Die Designers‘ Open vom 24. bis 26. Oktober sind ein internationales Design-Festival und verstehen sich als Bühne neuester Trends und Tendenzen im Mode -, Produkt-, Industrie- und Kommunikationsdesign wie auch im Bereich Architektur. Neben der Ausstellung gibt es ein Kommunikationsforum und einen Marktplatz. Die Veranstaltung ist sowohl für Fachpublikum als auch für Designinteressierte geöffnet.