Innerhalb Deutschlands stehen wir für Chancengleichheit ein. Doch wenn es um die nationalen Außengrenzen geht, hört dieser Anspruch auf. Ist es moralisch vertretbar, Flüchtlinge abzuweisen?
Nein, das ist es nicht, meint HOHE LUFT Redakteur Robin Droemer. Im Leitartikel der neuen Ausgabe plädiert er für eine liberalere Einwanderungspolitik. Sie können den Artikel schon vor Erscheinen hier in voller Länge lesen.
Sehr geehrter Herr Droemer,
leider kann ich Ihrem Text, der doch gewiß unter der Vorgabe „Philosophisches
Denken“ steht, wenig Philosophisches abgewinnen. Zwar bemühen sie (ganz
unberechtigt!) Kant, aber bezeichnenderweise auch den Politphilosophen
Habermas. Insgesamt ist Ihr Text eine polit-ideologische Ansage – nicht mehr,
nicht weniger. Eine philosophisch-nüchterne und objektive Analyse der
vorliegenden Flüchtlings- und Asylproblematik lassen Sie leider vermissen!
Hier ein paar Punkte von einem eigentlich begeisterten HoheLuft-Leser, der
aber (nun wiederholt, und leider) Zeuge werden durfte, daß mitunter die
Ideologie die Philosophie zu beherrschen weiß.
—
Sie schreiben von jungen Mädchen. Haben Sie die Berichte der vergangenen
Jahre auch aufmerksam verfolgt? Es stellt wohl eine große Ausnahme dar,
wenn sich unter den Flüchtlingen junge Mädchen (oder überhaupt Frauen)
befinden. – Jungmännerüberschuß, „youth-bulge“, besetzt die Boote.
—
Sie finden das Thema zu wichtig, um es den „Populisten“ zu überlassen.
Ich sage: Dann sollen eben die unpopulistischen „Mitte“-Politiker (also
eigentlich alle) auch mal „dem Volk auf’s Maul schauen“.
—
Sie fragen, ob es moralisch vertretbar sei, friedliche Menschen an der
Einreise zu hindern?
Ich frage: Woher wissen Sie, daß sie friedlich sind; woher wissen Sie um
deren lautere Ansichten?
—
Sie zitieren Kant: Niemand habe mehr Recht »an einem Orte der Erde zu sein
[…], als der andere«.
Prinzipiell hat Kant natürlich recht. Aber: Würde er, lebte er heute, noch
dasselbe sagen?
Ich frage: Wann lebte Kant? Wissen Sie das? – Zu seiner Zeit zählten wir
etwa 1 Mrd. Die Massenbewegungen des 21. Jahrhunderts konnte der gute,
zeit seines Lebens in den Grenzen von Königsberg weilende, Kant nicht
ansatzweise erahnen!
—
Sie prangern, gewissermaßen, an, daß Freizügigkeit (Bewegungsfreiheit) auf
das Staatsgebiet beschränkt sei.
Ich frage 1.: Haben Sie „Schengen“ verschlafen?
Ich frage 2.: Leben Sie in einem Gebiet, wo sich die ganze Schengenfreizügikeit
gar wunderbar entfaltet?
Ich frage 3.: Sind Sie wirklich so naiv, so rosarot bebrillt? Was denken Sie
denn was passieren wird, sollten alle Grenzen fallen?! Viele Regionen der Welt
würden nach und nach verwaisen, weil alle nach Europa drängen. Mglw. würden
die Europäer irgendwann in eben jenen verwaisten Regionen siedeln – und dann:
das selbe von vorn – nur umgekehrt ad infinitum.
—
Philosophische Gedanken einer, wie auch immer gearteten, Ideologie unterzuordnen
ist ein Fehler!
—
Sie sprechen von globaler Chancengleichheit.
Ich entwirre: Sie meinen: Chancengleichheit für alle kann, für alle, nur in
Europa existieren.
Ich sage: Das kann nicht funktionieren! Ich wiederhole: Sind Sie wirklich so naiv?
– Wo bleibt Ihr philosophisch geschultes, analytisches Denken!?!
—
Sie sagen: „Dass dieses System ungerecht ist, folgt aus allen gängigen
Gerechtigkeitsphilosophien“.
Ich sage: Da haben Sie recht. Aber: Unsere Problemlösungen müssen sich an
dem Machbaren orientieren. Schon viele (sehr viele!) sind daran gescheitert,
innerhalb eines (ihres) Menschenlebens nötige Veränderungen durchzusetzen,
innerhalb eines Menschenlebens die Welt umzukrempeln. Etwas „über’s Knie
zu brechen“ hat selten gute (und nachhaltige) Resultate gebracht! Und mit
derselben Mentalität (offensichtlich die Ihre) bringen unsere „unpopulistischen“
Politiker auch ein Europa auf den Weg, das, und das zeigt sich bereits, nicht
nur nicht auf eigenen, gesunden Beinen stehen kann, sondern auch geistig so
weit zurückgeblieben ist, daß es kaum lebensfähig erscheint!
—
Die Verbesserung der Lage unzähliger Menschen, die in
extremer Armut leben, würde einen Wohlstandsverlust der
Industrienationen dabei deutlich überwiegen
Ich sage: Erzählen Sie das bitte mal einem, dessen natürlicher Existenzbereich,
dessen Umfeld, dessen Heimat(!) sich von jetzt auf gleich von einem
idyllischen Plätzchen in einen Schmelztiegel von Aggression, Kriminalität und
andauernder Unsicherheit (Verlust von Freiheit!) verwandelt. (Denn das ist
die notwendige Folge, wenn schulterklopfende Weltverbesserer alle Menschen
einladen, ohne vorher deren Perspektiven (Arbeit!) gründlich ausgelotet zu
haben!
—
Dann sprechen Sie von „wirtschaftliche[r] Kooperation“.
Ich sage: Das ist natürlich zu begrüßen. Aber: Was ist wirtschaftliche
Kooperation? Daß ein freier Wettbewerb herrscht oder daß der eine den anderen
einlädt, ohne Gegenleistung an seinem Sozialsystem zu partizipieren?!
—
Und weiter erzählen Sie uns von „arbeitswillige[n]“ Menschen.
Ich sage: Bitte legen Sie mir dar, inwieweit die international höchsten
Sozialtransfers für nichtarbeitende „Migranten“ „arbeitswillige“ Menschen
anlockt! Als Philosoph, der auch ein Stück weit immer Psychologe ist (sein
sollte), dürfte Ihnen gewiß nicht entgangen sein, daß der, dem die gebratenen
Tauben von Natur aus (oder von Gesetzes wegen) in den Mund fliegen, kaum zu
einer Arbeit zu bewegen sein wird! — „Den Menschen zwingt man mit Not, nicht
mit Überfluß!“ (II).
—
Gegen Ende kommen Sie knapp auf die Verantwortung der reichen, westlichen
Welt (so nennen ich’s mal) zu sprechen.
Aber, Herr Droemer, diese Verantwortung kann doch nicht in Selbstzerstörung
liegen?! Wer sich wirklich für die Probleme jener „Welt“ einsetzen möchte,
der sollte darauf drängen, daß ihr und den dort lebenden Menschen vor Ort
geholfen wird. Eine Hilfe, die es unnötig macht, acht Kinder zu zeugen, weil
wahrscheinlich nur zwei überleben werden; eine Hilfe, die es unnötig macht,
in einer Welt am Scheideweg siedeln zu wollen, die, falls sie fürderhin ein Helfer
in der „anderen“ Welt sein möchte, sich selbst stabilisieren muß!
Leider, Herr Droemer, funktioniert die Welt/Gesellschaft nicht so einfach.
Oder doch? Rechnen Sie’s doch mal durch – reine Arithemtik.
Es grüßt,
Johann Junker
Also Herr Junker,
Sie offenbaren ja ein ziemlich konservativ-gestriges Weltbild und einen eklatanten Mangel an Durchblick beim Thema Ökonomie. Das sind keine guten Voraussetzungen für eine auch nur ansatzweise philosophische Debatte.
Alle von Ihnen aufgezählten Punkte einzeln zu widerlegen halte ich für langweilig. Nur soviel: Der Wohlstand in Europa (und den G7) basiert auf der Armut der sog. Dritten Welt, das ist bekannt. Daraus folgt ziemlich direkt eine Verantwortung, der „wir“ in der ersten Welt beileibe nicht nachkommen. Ein Weg, dieser Verantwortung gerecht zu werden, wäre fairer Handel. Vorteil: reduzierte Armutswanderung (usw.). Nachteil: Deutlich höhere Preise für Kaffee, all die glitzernden Dinge im MediaMarkt, Klamotten, Schuhe, Edelhölzer, usw. usf. Ein weiterer, die Grenzen zu öffnen.
Ihre „Argumente“ sind ein so oft bemühter wie schlechter Versuch, den Status Quo und die geschlossenen Grenzen zu rechtfertigen.
Beste Grüße
Philip Meier