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»Wahrhaft göttliche Grundwerte« – Christoph Benzmüller zur großen Frage #2

Christoph Benzmüller, Professor am Fachbereich Mathematik und Informatik der Freien Universität Berlin, hat eine Bestätigung von Gödels Gottesbeweis am Computer durchgeführt. Er ist also ein idealer Kandidat für unsere große Frage #2 »Vermissen Sie Gott?«, die im aktuellen Heft von fünf Prominenten beantwortet wird, unter anderem vom Philosophen Volker Gerhardt.
Die aktuelle Ausgabe ist jetzt am Kiosk erhältlich oder hier zu bestellen. 

Vermissen Sie Gott? – Interessante Fragestellung. Wenn ich davon ausgehe, dass man ja eigentlich nur das vermissen kann, was man  in irgendeiner Form bereits wahrgenommen hat, dann kann die Frage sich ja nur an solche Personen richten, denen Sie eine gewisse Affinität zur Religiosität bereits a priori zuschreiben.

Reflexartig drängt sich mir die Antwort „Nein“ auf. Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist Gott, besser gesagt der Begriff des Göttlichen, sehr präsent in meiner aktuellen wissenschaftlichen Arbeit. Ich rede hier vom ontologischen Gottesbegriff der Metaphysik. Kurz zum Hintergrund: Vor etwa 3 Jahren haben wir damit begonnen, sogenannte ontologische Gottesbeweise in Logik zu formalisieren und mit dem Computer auf Herz und Nieren zu untersuchen. Wir konfrontieren dabei den Computer mit bekannten, philosophischen Argumenten für (oder gegen) die Existenz Gottes und versuchen dann, unterstützt durch den Computer, logische Schwächen im Argument aufzudecken. Etwas überzogen könnte man es auch so sehen: Wir konfrontieren Computer mit formalen, abstrakten „Theorien des Göttlichen“ und befragen ihn dann nach seiner Meinung. Die spontane Reaktion der Leser kann ich mir gerade vorstellen – doch Vorsicht: der Computer konnte tatsächlich bereits neue Einsichten zu existierenden Gottesbeweisen aufdecken, die Philosophen bisher übersehen hatten.

Es gibt aber einen weiteren Grund für mein spontanes „Nein“. Ist es nicht so, dass derzeit zahlreiche globale und lokale gesellschaftliche Konflikte mit Verweis auf unvereinbare religiöse Positionen, einschliesslich unterschiedlicher Detail-Interpretationen des Göttlichen, geführt werden? An dieser Stelle würde ich den Rückzug des Religiösen und Göttlichen sehr begrüßen, zumindest aber eine Rückbesinnung auf die verbindenden Aspekte religiöser Strömungen. Also lieber etwas weniger „Gott“ als mehr an dieser Stelle.

Genau in dieser Hinsicht finde ich den ontologischen Gottesbegriff übrigens sehr sympathisch. Denn dieser reduziert die Frage nach der notwendigen Existenz Gottes auf einige wenige Postulate und abstrahiert dabei rigoros von überladenen Ausgestaltungen religiöser Gottesbegriffe. Der Grad der Abstraktion geht dabei vielen möglicherweise zu weit, aber die grundsätzliche Richtung ist doch interessant. Denn eine Diskussion über das wirkliche „Göttliche“ an Gott finde ich allemal sinnvoller als ein zu starres Festhalten am Traditionellen oder gar einen ideologischen Missbrauch Gottes.

In gewisser Weise liefere ich also doch noch ein kleines, verstecktes „ja“ auf die Ausgangsfrage. Gegen eine größere wahrnehmbare Präsenz wahrhaft göttlicher Grundwerte in unseren Gesellschaften hätte ich jedenfalls nichts einzuwenden.

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