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HOHE LUFTpost – Die »abscheuliche« Folgerung

HOHE LUFTpost vom 30.10.15: Die »abscheuliche« Folgerung

Soll man Kinder kriegen? Für viele Menschen bedeutet diese Frage einen Scheideweg in ihrem Leben. Auch Philosophen denken darüber nach. Der Ethiker Torbjörn Tännsjö, Professor an der Universität Stockholm, hat gerade einen Essay dazu veröffentlicht. Er kommt zu dem, was in der Philosophie »die abscheuliche Folgerung« (repugnant conclusion) genannt wird: Kinderkriegen ist eine moralische Pflicht. Möglichst viele Kinder! Wer sich der ungebremsten Fortpflanzung verweigert, handele schlecht. Tännsjös Argument ist ziemlich einfach: Das Leben der meisten Menschen ist überwiegend glücklich. Wer Menschen in die Welt setzt, vermehrt also das Glück. Wer sie aber ungezeugt lässt, verwehrt ihnen das Glück. Klingt recht einleuchtend – allerdings kommen sogenannte Antinatalisten nach demselben Muster zum entgegengesetzten Schluss: Kinderkriegen ist schlecht. Denn leben bedeute leiden, wer also Kinder in die Welt setzt, vermehrt das Leid.

Wer hat nun recht, Natalisten oder Antinatalisten? Keiner von beiden. Die moralisch optimale Kinderzahl variiert von Mensch zu Mensch und liegt meist weder bei Null noch bei Unendlich, sondern irgendwo dazwischen. Der Fall der »abscheulichen« Folgerung und ihres Gegenstücks offenbart den zweifelhaften Wert abstrakter moralischer Argumente. Was gut oder schlecht ist, zeigt sich oft im Konkreten, nicht im Abstrakten. Es gibt nur wenige allgemeingültige moralische Regeln. Eine davon lautet: Schau dir den Menschen an!

– Tobias Hürter

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