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Der Robin Hood der Informationsgesellschaft?

Kontroverse um „Whistleblower“
Edward Snowden

Als „Whistleblower“ hat der ehemalige Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA, Edward Snowden, streng geheime Informationen über das weltweite Überwachungsprogramm PRISM an die Öffentlichkeit weitergegeben. Unter einem Whistleblower versteht man jemanden, der unter Verschluss gehaltene Informationen nach außen trägt, mit der Absicht, Unrecht aufzudecken und zu beenden – um dadurch der Gesellschaft einen Dienst zu erweisen. Handelt es sich dabei um eine Heldentat oder schlicht um Verrat?

Aus Sicht der amerikanischen Regierung ist Snowden ein Straftäter. Dies scheint schwer zu bestreiten, schließlich hat er vorsätzlich die Verschwiegenheitspflicht gegenüber seinem Arbeitgeber verletzt und somit Vertragsbruch begangen. Die US-Regierung wirft Snowden eine Gefährdung der nationalen Sicherheit vor. Lässt sich Snowdens Verhalten dennoch rechtfertigen?

Snowdens Enthüllungen könnten als Form des zivilen Ungehorsams gewertet werden. Ziviler Ungehorsam ist eine Variante des politischen Protests, bei dem ein bewusster Rechtsbruch begangen wird, um auf unrechtmäßiges Verhalten der Regierung hinzuweisen. Laut dem amerikanischen Moralphilosophen John Rawls (1921 – 2002) kann ein Rechtsbruch als ziviler Ungehorsam dann gerechtfertigt sein, wenn der Staat auf eklatante Weise gegen Prinzipien der Gerechtigkeit verstößt. Ziviler Ungehorsam kann sich aber auch gegen Regierungsmaßnahmen wenden, die als maßgebliche Verletzungen von gesellschaftlich anerkannten Werten empfunden werden.
Die private Kommunikation Unwissender auszuspionieren stellt einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre dar. Snowden hat demnach sein Recht auf zivilen Ungehorsam wahrgenommen und somit als eine Art Robin Hood der Informationsgesellschaft agiert. Dass er offenbar vertrauliche Informationen verraten und damit gegen die Geheimhaltungspflicht verstoßen hat, lässt sich nicht leugnen. Dennoch gehen wir davon aus, dass Menschen moralische Pflichten der Gesellschaft gegenüber haben, die über die Pflichten einem Arbeitgeber gegenüber hinausgehen – auch wenn der Arbeitgeber der Staat ist. Blinder Gehorsam kann keine Rechtfertigung dafür sein, die eigenen moralischen Maßstäbe aufzugeben. Laut Rawls erfordert ziviler Ungehorsam auch die Bereitschaft, sich den Behörden zu stellen und eine etwaige Bestrafung zu akzeptieren, um damit Respekt gegenüber der Rechtsordnung zu zeigen. Aus dieser Sicht dürfte sich auch ein Whistleblower wie Edward Snowden nicht einfach der Strafverfolgung und somit einem Gerichtsverfahren entziehen.

Sollte Snowden sich also stellen oder muss man ihm Asyl gewähren? Verdient er eine Bestrafung? Wir sind gespannt auf Ihre Kommentare!

– Greta Luehrs –

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