Alle Artikel in: Europa

Die Hydra des Terrors. Carl Schmitt als Autor der Stunde?

Reinhard Mehring ist Politikwissenschaftler an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Er schreibt hier darüber, was es bedeutet, wenn angesichts der tragischen Ereignisse von Paris vom „Ausnahmezustand“ gesprochen wird. In diesen Tagen nach dem schwarzen Freitag vom 13. November 2015 erklingt an manchen Gedächtnisorten die hymnische Hippieutopie „Imagine“ von John Lennon. Man muss erinnern, dass das Lied über 40 Jahre alt ist und John Lennon erschossen wurde. „Imagine there’s no countries / It isn’t hard to do / Nothing to kill or die for / And no religion too / Imagine all the people living life in peace“. Das alte Lied ist heute ein sentimentaler Abgesang aus der Welt von gestern. Staatszerfall und offene Außengrenzen sehen wir heute anders, Staat und Religion schließen sich nicht mehr anarchistisch kurz. Die Politik wagt sich wieder an eine andere Rhetorik: Man spricht von Ausnahmezustand und Krieg.

Verantwortung für Flüchtlinge

Verantwortung für Flüchtlinge. Die moralische Macht der Bilder über das Bewusstsein Wie ist eine Ethik der Hilfsbereitschaft denkbar? Der französisch-litauische Philosoph Emmanuel Lévinas sah in der Erfahrung des anderen Gesichts eine Grundlage für ethisches Handeln. Hans-Martin Schönherr-Mann, Professor für politische Philosophie an der LMU in München, darüber, wie uns diese Ethik angesichts der Flüchtlingsdramas an unsere Verantwortung erinnert. 

Gefühle? Gewissen!

Von Tobias Hürter Wenn den Berichten und Kommentaren glauben kann, dann ist Deutschland derzeit im emotionalen Ausnahmezustand. Deutschland sei ein »Hippiestaat, der sich nur von seinen Gefühlen leiten lässt«, sagt der englische Politologe Anthony Glees. »Wir erleben in Echtzeit, wie sich die Gefühle eines ganzen Landes synchronisieren«, schreibt der »Zeit«-Wissenschaftsredakteur Ulrich Schnabel. Gemeint sind natürlich die bewegenden Szenen, die sich am Münchner Hauptbahnhof und anderswo abspielen. Deutsche umarmen ankommende Flüchtlinge. Hilfsorganisationen werden überschwemmt von Spenden. Allerdings bezweifle ich, dass man diesen Berichten und Kommentaren wirklich glauben kann. Deutschland wird nicht von seinen Gefühlen geleitet. Sondern vom Gewissen. Das ist ein wesentlicher Unterschied – und gut so.

Was ist Flucht? Von der Realität und Aggression der Bilder

In diesen Tagen scheint es nur ein einziges Thema zu geben: Flucht. Es vergeht kein Tag, an dem uns die Medien nicht über die Schicksale unzähliger Unbekannter informieren, Menschen aus Syrien, Eriträa oder dem Kosovo, die zu Tausenden Zugang zum sicheren Europa suchen. Wir hören und lesen nicht nur, was derzeit passiert – wir sehen es auch. Welchen Stellenwert hat das, was wir da sehen? Müssen wir uns damit konfrontieren oder dürfen wir einfach wegschauen? Wie sollen wir mit der Bilderflut umgehen? Fotos von Flucht und Flüchtlingen sind zur Zeit allgegenwärtig. Man sieht Menschen auf Schlauchbooten, in Bahnhöfen und Zügen, in Auffanglagern, an Grenzzäunen. Die Fotos bewegen und rühren uns, sie machen uns betroffen. Aber sie tun noch mehr. Sie bannen uns. Sie üben auf eigentümliche Weise Gewalt auf uns aus. Nehmen wir das umstrittene Foto der toten Flüchtlinge, die kürzlich in einem abgestellten Laster in der Nähe von Wien gefunden wurden. Die Wiener „Kronen-Zeitung“ hatte das Foto veröffentlicht, und danach auch „Bild“. Das Foto zeigt einen Blick ins Innere des LKWs; auf der Ladefläche …

Freunde zum Abhören

Die NSA hat also Angela Merkels Handy abgehört. So what, könnte man sagen. Besser das Handy der Bundeskanzlerin, als die Kommunikation von Millionen anderen Bürgern. Der Zweck von Geheimdiensten besteht schließlich darin, möglichst relevante Informationen zu sammeln. So gesehen hat die NSA bessere Gründe, die deutsche Bundeskanzlerin abzuhören als beispielsweise mich. Mein Telefon abzuhören, wäre geradezu Ressourcenverschwendung. Bei der Bundeskanzlerin hingegen muss man natürlich annehmen, dass es etwas Interessantes zu erfahren gibt. Insofern wäre es aus Sicht der NSA fast fahrlässig, die Kanzlerin nicht abzuhören, erst recht, wenn sich ihr ungesichertes Handy dem geheimdienstlichen Zugriff sozusagen offen darbietet. Moralisch und politisch gesehen ist das vielleicht skandalös, aus Sicht eines Geheimdienstes ist es nur logisch.

Freiheit und Abhängigkeit

Überwachung! Angriff auf die Privatsphäre! Beim Blick in die Zeitungen könnte man meinen, wir seien so unfrei wie nie zuvor. Wenn wir nicht sorglos im Internet surfen oder persönliche E-mails verschicken können, ohne dass wir ausgespäht werden könnten, fühlen wir uns in unserer persönlichen Freiheit eingeschränkt. Dabei hängt die Freiheit nicht nur an staatlicher Nicht-Einmischung, wie ein globaler Sklavenindex zeigt.

Der schwarze Philosoph

Sein Leben liest sich beinahe wie ein Märchen: Anton Wilhelm Amo wird im 18. Jahrhundert als Kleinkind in Ghana von Sklavenhändlern verschleppt, kommt über Umwege nach Deutschland und promoviert dort in Philosophie. Nur eines fehlt: Das Happy End. Robin Droemer setzt sich in der aktuellen Ausgabe von HOHE LUFT mit dem Schicksal des Philosophen Amo auseinander. Der ganze Artikel kann jetzt auch hier online gelesen werden.

Fassade hier, Fassade dort

Fassade hier, Fassade dort Europa steckt tief in der Krise. Kann die Philosophie den Alten Kontinent retten? Sie versucht es zumindest. Zwei der angesehensten deutschen Philosophen, Jürgen Habermas und Julian Nida-Rümelin, haben gemeinsam mit dem Ökonomen Peter Bofinger einen Text in der FAZ veröffentlicht, in dem sie einen Rettungsplan für Europa skizzieren. Beschwerliche Lektüre, aus der sich eine knappe Devise ziehen lässt: alles oder nichts! Entweder Europa kehrt zurück zu Nationalstaaterei samt D-Mark, Franc und Lire, oder wir machen jetzt mal richtig Ernst mit der europäischen Einigung. Die drei Denker sind natürlich für zweiteres. Sie wollen die politische Einheit tiefer in den Verfassungen verankert sehen. Dazu fordern sie ein Plebiszit, um aus der »marktkonformen Fassadendemokratie« eine echte Demokratie zu formen. So könne sich der Kontinent vom ökonomischen Kummerkind zum politischen Avantgardisten machen. Kann der geballte akademische Intellekt die europäische Einheit retten? Der amerikanische Historiker Perry Anderson bezweifelt es. In einem Essay in der Zeitschrift New Left Review greift er den »europäischen Narzissmus« von Habermas & Co. an. Anderson wirft ihnen vor, sich beim Nachdenken über Europa in einen selbstgefälligen Diskurs verstiegen zu haben, der …