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Das Schöne darf glatt sein

Kolumne »Schöne Gedanken«

Er ist ein Star der deutschen Denkerszene: der Berliner Philosoph Byung-Chul Han. Seine Spezialität ist die Provokation. Mit seinen Büchern will er, das ist sein erklärtes Ziel, seine Leser wachrütteln, und er schreibt nicht für seine gelehrten Kollegen, sondern wendet sich an uns alle.

In seinem neuen Werk »Die Errettung des Schönen« will er unseren Sinn fürs Schöne kurieren, der, wie er überzeugt ist, gründlich verdorben ist. »Warum finden wir heute das Glatte schön?«, fragt er. »Das Glatte ist die Signatur der Gegenwart. Es verbindet Skulpturen von Jeff Koons, iPhone und Brazilian Waxing miteinander. Über die ästhetische Wirkung hinaus spiegelt es einen allgemeinen gesellschaftlichen Imperativ wider. Es verkörpert nämlich die heutige Positivgesellschaft. Das Glatte verletzt nicht. Von ihm geht auch kein Widerstand aus. Es herrscht Like. Der glatte Gegenstand tilgt sein Gegen. Jede Negativität wird beseitigt.« Alles wolle nur noch gefallen, aber nicht mehr wirklich schön sein. Es fehlten das »Doppelbödige«, die »Innerlichkeit«, die »Rückseiten«, beklagt Han. 

Leben wir wirklich in einer armseligen Zeit, in der das Schöne nur noch Oberfläche ist? Ich widerspreche Han. Selbst seine eigenen Beispiele sprechen gegen ihn. Ein enthaarter Körper mag glatt sein, aber seine Ästhetik ist keineswegs oberflächlich, ebenso wenig wie das vollendete Design des iPhones. Und wer es ein wenig rauer oder doppelsinniger mag: Die Künstler von heute sind so einfallsreich und schaffensfreudig wie eh und je. Nicht unser Sinn für Schönheit ist verzerrt, sondern der Blick von Byung-Chul Han.

– Tobias Hürter

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