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»Arbeit ist ein entscheidender Faktor«

Jörg Bernhard ist Personalleiter der Hamburger Stadtreinigung. Im Rahmen von Work in Progress, dem Hamburger Kongress zur Zukunft der Arbeit, gibt er den Teilnehmern einen Einblick in die Arbeit der Stadtreinigung – unter dem Thema »Die Wirksamkeit unseres Tuns«. Darüber haben wir mit ihm im Vorfeld gesprochen

Bernhard7Welche Rolle spielt Wirksamkeit bei Ihrer Arbeit?

Wir haben vor ein paar Jahren die Tochterfirma Stilbruch gegründet, ein Einrichtungskaufhaus für Dinge, die sonst auf dem Sperrmüll landen würden. Das haben wir kombiniert mit der Beschäftigung von Arbeitslosen und damit eine echte Erfolgsgeschichte geschrieben. Das ist für mich ein Beispiel für ein Projekt, dessen Wirksamkeit über die ökonomische Sicht weit hinausgeht. Ich bin ausgebildeter Lehrer und habe verschiedene Stationen hinter mir aber ich habe noch niemals eine Stelle nur des guten Gehaltes wegen angenommen. Ich habe mich immer bewusst gefragt will ich das tun?

Sollte Arbeit sinnerfüllend sein?

Für den einzelnen Menschen auf jeden Fall! In vielen Unternehmen steht leider immer noch die Profitmaximierung an erster Stelle, was zu einem gewissen Grad auch verständlich ist. Aber immer mehr Leute wollen Sinn in ihrer Arbeit sehen, der über den Broterwerb hinausgeht, und fragen das auch nach. Das bringt Veränderungen in Gang – allerdings nur in dem Rahmen, in dem man sich das auch leisten kann. In vielen Gegenden der Welt stellen sich solche Sinnfragen gar nicht, wir sind da in einer sehr privilegierten Situation.

Bedeutet Wirksamkeit in der Arbeit, dass man sofort Ergebnisse sieht?

Nicht unbedingt. Einerseits bewirkt die Stadtreinigung vieles, was man unmittelbar wahrnehmen kann – wenn man darauf achtet. Aber es gibt Projekte, deren Wirksamkeit sich erst auf lange Sicht zeigt. Der ganze Nachhaltigkeitsgedanke baut darauf auf. Für langfristige Verbesserungen, wie die Schonung der Ressourcen, braucht es einen langen Atem. Und trotzdem ist das ein wirksamer Ansatz.

Sie engagieren sich auch in der Flüchtlingshilfe. Was tun Sie da konkret?

Wir bieten Praktika an und haben zehn zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, von denen wir sechs bisher besetzen konnten. Vor allem in Tätigkeitsfeldern wie Müllabfuhr oder Straßenreinigung. Unsere Erfahrungen sind bislang sehr positiv! Einem Flüchtling konnten wir jetzt sogar einen Ausbildungsplatz anbieten. Für komplexere Aufgaben fehlt es vor allem an der Sprachkompetenz aber unserer Erfahrung nach lernt man die Sprache als Teil eines Teams viel schneller als in einem Kurs.

Welche Rolle spielt Arbeit bei der Integration?

Sie ist der absolut entscheidende Faktor weil sie ökonomische Unabhängigkeit ermöglicht. Auf eigenen Beinen zu stehen ist ein viel besseres Gefühl als um alles bitten zu müssen. Durch Arbeit fühlt man sich schneller als ein nützliches Mitglied der Gesellschaft, trägt zum Gemeinwohl bei und ist nicht länger isoliert.

Erfahren Ihre Mitarbeiter genügend Wertschätzung von der Gesellschaft?

Das ist sehr unterschiedlich. Die Mannschaften, die draußen unterwegs sind, bekommen alles ab von Lob über Mitleid bis hin zu Beschimpfungen und Aggression. Das ist auch für die Flüchtlinge herausfordernd. Erfahrene Kollegen nehmen sie dann ein wenig unter ihre Fittiche. Und sie lernen gleich das öffentliche Leben in Hamburg kennen. Aber generell trifft zu: Man bemerkt die Stadtreinigung immer erst dann, wenn sie nicht funktioniert, wenn der Müll tagelang liegen bleibt oder im Winter die Straßen nicht geräumt sind.

Gehen die Bürger denn gut mit ihrer Stadt um?

Überhaupt nicht. Die Achtlosigkeit gegenüber dem öffentlichen Raum wird immer größer. Wir nennen das »Nutzungsdruck«. Was wir an einem Sonntagmorgen im Stadtpark aufzuräumen haben oder jeden Tag auf Sankt Pauli.. Es ist zwar ein schöner Trend, dass man wieder viel mehr draußen lebt aber es fühlt sich keiner dafür verantwortlich, nach dem Feiern wieder sauberzumachen.

Was wünschen Sie sich für die Arbeitswelt von morgen?

Ich wünsche besonders jungen Leuten mehr Gelassenheit und Zuversicht. So viele spüren eine große Unsicherheit, haben befristete Verträge und machen sich Sorgen um die Zukunft. Ein wirdschongutgehen-Gefühl täte vielen gut. Ich glaube nämlich, es geht uns im Großen und Ganzen besser als man manchmal denkt.

Fragen von Greta Lührs

 

VERANSTALTUNGSHINWEIS

Am 14. Und 15. April 2016 steigt wieder Work in Progress auf Kampnagel. Gemäß des Themas »Die Wirksamkeit unseres Tuns« geht der Kongress in diesem Jahr auf Entdeckungstour durch Hamburg und schaut sich vor Ort verschiedene Stationen an. Auch die Stadtreinigung ist dabei. Hier können Sie sich anmelden.

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