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Zur deutsch-französischen Freundschaft

Was ist Freundschaft? Gibt es Freundschaft zwischen Staaten? Und was hat es mit der deutsch-französischen Freundschaft auf sich? Zum 50-jährigen Jubiläum des Elysée-Vertrages fand am 05.02. ein HOHE LUFT_live-Spezial im Levante-Haus statt. HOHE LUFT-Chefredakteur Thomas Vašek suchte gemeinsam mit der Gründerin der Château d’Orion-Denkagentur Elke Jeanrond-Premauer und dem Philosophen Wilhelm Schmid nach Antworten auf die eingangs erwähnten Fragen.

Moderatorin Pia Schaf, Gründerin der modern life school in Hamburg, wollte wissen, ob es Freundschaft zwischen Staaten überhaupt geben kann. So wurde erst einmal versucht, Freundschaft an sich zu definieren. Wilhelm Schmid unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen der Lustfreundschaft, die vorrangig auf Spaß beruht, der Nutzenfreundschaft, die, wie der Name schon sagt, auf einen bestimmten Nutzen ausgerichtet ist, und der wahren Freundschaft, die unabhängig von Spaß und Nutzen ist. Dabei sei es wichtig, nicht immer nur auf das Glück der Freundschaft zu bauen, weil doch schlechte Zeiten genauso zur wahren Freundschaft gehören wie gute. Es komme, so Schmid, auf das richtige Verhältnis zwischen Nähe und Distanz an, denn auch wahre Freundschaften müssen atmen können. Thomas Vašek nennt im Zusammenhang damit drei konstitutive Merkmale von Freundschaft: Achtung, Wohlwollen und Vertrauen. Auch Elke Jeanrond-Premauer definiert Freundschaft und sieht in ihr eine tiefe Verbundenheit, die selbst räumliche Trennungen überdauern kann.

Was also verbindet diese als zutiefst persönlich beschriebenen Freundschaften mit den Beziehungen zwischen Staaten? Thomas Vašek ist der Ansicht, es gäbe keine Freundschaft zwischen Staaten, zumindest nicht in der Form, wie es sie zwischen Menschen gibt. Trotzdem glaubt er daran, dass die Verbundenheit von Staaten durchaus über bloße Zusammenarbeit hinausgehen kann. Hier mangle es allerdings an der richtigen Begrifflichkeit. Im Hinblick auf die deutsch-französische Freundschaft (mangels Alternativen bedienen wir uns also des Begriffs der Freundschaft) markiert der 1963 unterzeichnete Elysée-Vertrag den Startpunkt intensiver Zusammenarbeit. Frau Jeanrond-Premauer sieht darin eine verordnete Freundschaft, die nach Jahrzehnten der offenen Feindschaft erlaubte, die Franzosen wieder zu mögen. Ist das also der Sinn von Freundschaftsverträgen? Hass zu beenden und Krieg zu verhüten? Herr Schmid meint ja. Der Elysée-Vertrag beruht für ihn auf einer Nutzenfreundschaft. Diese resultiert aus der Einsicht, dass Kriege nun einmal keinen Nutzen bringen. Thomas Vašek widerspricht: Verträge sind zwar keine Garantie für wahre Freundschaft, können aber durchaus helfen, eine Vertrauensbasis zu schaffen. Sie etablieren, so Vašek, eine Praxis und diese ist für die Identitätsstiftung eines geeinten Europas essenziell. Gerade im Hinblick auf Griechenland wäre es sinnvoll, Freundschaft zu stiften. Aus Freundschaft kann dann nämlich eine Gemeinschaft entstehen.

Und wie könnte eine solche Gemeinschaft in der Praxis aussehen? Wilhelm Schmid ersinnt eine soziale, ökologische Gemeinschaft, die sich den Problemen unserer Zeit stellt. Elke Jeanrond-Premauer nennt in diesem Zusammenhang das Grundeinkommen. Thomas Vašek verweist auf die Pflicht von Verantwortung, die der Freundschaft erwächst. Wenn man diese Pflicht auf das Verhältnis zwischen Staaten anwendet, würde dies bedeuten, dass es selbstverständlich ist, in Notsituationen solidarisch einzugreifen und zu helfen.

Ob eine solche Solidarität zwischen Deutschland und Frankreich besteht, ist anzuzweifeln. Solidarität impliziert ja auch immer einen Akt der Selbstlosigkeit, also ein Handeln ohne zugrunde liegende Eigeninteressen.

 – Christina Geyer –

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